Dienstag, 31. März 2009

Wie steigern Sie eigentlich Ihre Intelligenz?

Teil 2: Intelligenz trainieren



Manche Menschen sind schlauer, manche dümmer. Kann man das ausgleichen?


Im Blog-Beitrag vom 30.3.09 haben Sie die Grundlagen der Intelligenzforschung erfahren. Sie unterscheidet sich in kristalline und fluide Intelligenz. Die kristalline ist per definitionem trainierbar, wenn wir sie mit Informationen füttern. Die fluide Intelligenz ist eigentlich per definitionem nicht trainierbar, weil sie 'unabhängig von zuvor gelernten Informationen' existiert. Allerdings gibt es Möglichkeiten, diese Art von angeborener geistiger Leistungsfähigkeit langfristig zu steigern.

1) Das Arbeitsgedächtnis trainieren:
Forscher der Universität Bern haben 2008 eine Studie veröffentlicht, in der sie
Versuchspersonen mit Aufgaben trainierten, die das Arbeitsgedächtnis verbessern sollten. Das Arbeitsgedächtnis speichert und manipuliert kurzzeitig Informationen. Eine Arbeitsgedächtnisaufgabe wäre zum Beispiel, sich eine Reihe von Zahlen zu merken und sie dabei aufsteigend anzuordnen. Im Experiment der Uni Bern schnitten die Versuchspersonen, die ihr Arbeitsgedächtnis trainiert hatten, umso besser in klassischen Intelligenztests ab, je länger sie trainiert hatten. Die Forscher vermuten, dass das Arbeitsgedächtnis sehr ähnliche Schaltkreise beansprucht wie die fluiden Intelligenzleistungen. Diese neuronalen Schaltkreise werden also mittrainiert. Zur Zeit wird ein Trainingsprogamm entwickelt, mit dem sich die Intelligenz kurzfristig steigern lässt. Studien über positive Langzeiteffekte des Trainings sollen folgen.

2) Aktives Nachdenken und Problemlösen in verschiedensten Lebensbereichen:
Geistige Aktivität, genau wie körperliche Aktivität, hält die grauen Zellen fit. Damit beugt man nicht nur dementiellen Erkrankungen vor. Vielmehr 'generalisiert' geistige Aktivität in einem fordernden Umfeld häufig auf andere Lebensbereiche. Die positiven Effekte sind unmittelbar feststellbar.


3) Medikamente:
Besonders aufmerksamkeitssteigernde Präparate bewirken, dass man sich Dinge besser merken, konzentrierter lernen und effizienter Informationen verarbeiten kann. Besonders beliebt ist hier anscheinend Ritalin, das zur Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) eingesetzt wird. Studien aus den USA schätzen, dass zur Zeit 14-25 % aller Studenten vor wichtigen Prüfungen Medikamente einnehmen. Vorsicht vor ungewollten Folgen und Nebenwirkungen: Gegenwärtig existieren keine Langzeitstudien, die die Unbedenklichkeit dieser Art von Selbstmedikation bescheinigen können.


4) Das Richtige essen:
Forscher des Massachussetts Intitute of Technology in Cambridge haben in Versuchen mit Wüstenspringmäusen Erstaunliches herausgefunden: Nach Verabreichung von Futter, das mit Cholin (kommt z.B. in Eiern vor), Omega-3-Fettsäuren (Fischöl) und Uridinmonophosphat (Rüben) lernten die Tiere schneller. Und mehr noch: Sie bildeten mehr Synapsen in Gehirnregionen aus, die für Lernen und Gedächtnis verantwortlich sind. Die Frage ist noch offen, inwieweit diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind.


Bevor man also zu Medikamenten greift, um sich künstlich schlau zu machen, sollte man geistig aktiv sein, das Richtige essen und das Arbeitsgedächtnis fordern (kleine Merkaufgaben, ein Instrument, ein Gedicht oder einen Witz lernen oder neue kreative Lösungen für die kleinen Probleme des Alltags suchen).


Und einen Joker haben Sie ja noch auf der Hand:
Welche besondere Rolle Fisch beim IQ-tanken spielt, erfahren Sie morgen.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quellen:

Holguin, S., Martinez, J., Chow, C., Wurtman, R. Dietary uridine enhances the improvement in learning and memory produced by administering DHA plus choline to gerbils. FASEB

Jaeggi, S. M., Buschkuehl, M., Jonides, J., & Perrig, W. J. (2008). Improving fluid intelligence with training on working memory. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 105(19), 6829-6833. fj.08-112425, published online July 7, 2008

Montag, 30. März 2009

Wie steigern Sie eigentlich Ihre Intelligenz?

Teil 1: Was ist Intelligenz?


Vorab ein Fakt: Es gibt schlaue Menschen und es gibt dumme Menschen.

Die Skala zur Messung dieser schlau-dumm-Dimension wird üblicher Weise mit 'Intelligenz' bezeichnet. Ist diese Intelligenz, die man auch je nach Geschmack als Klugheit, geistige Kompetenz, kognitive Leistungsfähigkeit oder Informationsverarbeitungseffizienz beschreiben kann nun angeboren oder wird sie im Verlauf der Kindheit, der Jugend, des Alters erst gelernt? Die Antwort lautet wie so oft: Teils-teils.

Mit Intelligenz werden allgemein alle sogenannten kognitiven, also geistigen Fähigkeiten und Fertigkeiten beschrieben, die es uns ermöglichen, Probleme zu lösen, Zusammenhänge zu erkennen und Ideen zu entwickeln. Nach Meinung vieler Experten ist es allerdings nicht sinnvoll, von einer "globalen Intelligenz" zu sprechen, die unveränderlich jeden Menschen auf einen IQ-Wert reduziert und demnach sein geistiges Potential festlegt. Vielmehr besteht die kognitive Leistungsfähigkeit aus mindestens zwei Komponenten:

Zum einen aus einer weitgehend genetisch-biologisch festgelegten Komponente, der 'fluiden' Intelligenz, die sich in den ersten Lebensjahren praktisch von selbst entwickelt. Ihre Grundlage wird bis zum Abschluss der Frontallappenentwicklung (ca. 11. Lebensjahr) gelegt, ihren Höhepunkt erreicht sie mit 17-18 Jahren. Ein paar Jahre lang bleibt sie relativ konstant, danach fällt sie langsam aber sicher ab. Je nach Lebensführung, geistiger Forderung und Förderung, Krankheiten und Suchtmittelmissbrauch. Bei den einen schneller, bei den anderen langsamer. Sie umfasst Fähigkeiten wie Auffassungsgabe, geistige Flexibilität, Schnelligkeit und Problemlösefähigkeit.

Zum anderen besteht die Intelligenz aus einer Lern-Komponente, der sogenannten 'kristallinen' Intelligenz. Damit ist unser gesamtes sinnvoll nutzbares Wissen gemeint. Also alles das, was wir an Fakten und Erfahrungen gesammelt haben. Geografie, Grammatik, Klavierspielen und Fahrradfahren sind Wissens-Leistungen, die kristallin sind, quasi über die Zeit 'kristallisiert', perfektioniert sind.

Die zweite Komponente ist damit ohne Frage in hohem Grade modifizierbar. Wir können unsere Intelligenz steigern, indem wir eine neue Sprache lernen, eine Sportart perfektionieren, uns ganz allgemein Wissen aneignen. Das macht Eindruck.

Schwieriger ist es bei der ersten Komponente, der fluiden Intelligenz. Geistige Flexibilität, Schnelligkeit und Auffassungsgabe zu trainieren wäre sehr wünschenswert, weil diese Fähigkeiten ja die Grundlage für die effiziente Aneignung von Wissen, also die wichtige kristalline Intelligenz darstellen. Und prinzipiell ist diese fluide Intelligenz auch trainierbar: Obwohl angenommen wird, dass die Gehirnentwicklung mit dem Jugendalter abgeschlossen ist, weiß man doch, dass die sogenannte 'Neuronale Plastizität' in allen Gehirnregionen bis ins hohe Alter besteht. Mit neuronaler Plastizität ist die Fähigkeit von Gehirnzellen gemeint, lokal neue dauerhafte Verbindungen herzustellen und so Lernen und das Erkennen von Zusammenhängen zu ermöglichen. Warum sollte es also nicht möglich sein, die fluide Intelligenz genauso zu trainieren wie die kristalline?

Vor kurzem haben sich Wissenschaftler der Universität Bern dieser Gretchenfrage der Intelligenzforschung erneut zugewandt und ein Programm entwickelt, mit dem sie versprechen, fluide Intelligenzleistungen gezielt systematisch trainieren zu können.

Lesen Sie deshalb morgen, wie Sie Ihre Intelligenz steigern können.

Gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Freitag, 27. März 2009

Planlos, aber lernfähig: Was Kinder denken

13:07 Uhr. "Papa, ich will im Garten spielen!" - "Ok, aber nimm deine Jacke mit, es ist kalt draußen."
13:12 Uhr. "Puh, brrr, ist so kalt draußen." - "Na dann... hey, du hast deine Jacke nicht an!" - "Ich zieh` sie jetzt an..." - "Typisch, was ich dir sage geht zum einen Ohr rein und zum anderen raus, und dann wirst du wieder krank und..."

Kommt Ihnen das bekannt vor? Wissenschaftler und viele Eltern gingen lange Zeit davon aus, dass Kinder prinzipiell wie Erwachsene denken. Allerdings fehle ihnen die Einsicht in die Folgen ihrer Handlungen. Diese Kompetenz müssten sie im Verlauf ihrer individuellen Entwicklung erst noch lernen.

Forscher der University of Boulder haben nun ein Experiment durchgeführt, mit dem sie zeigen konnten, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter die Kompetenz, eigene Handlungen und Anweisungen anderer auf die Zukunft zu beziehen, noch gar nicht besitzen. Bei der Handlungsplanung sind Kinder eben nicht wie kleine Erwachsene, sondern denken qualitativ anders. Es scheint, als ob sie Anweisungen einfach speichern würden, um später darauf zurückzugreifen. Wie im Jackenbeispiel oben: Erst wenn es kalt wird, spürt das Kind die Notwendigkeit, sich durch die Jacke vor der Kälte zu schützen.

Kinder lernen also Zusammenhänge, indem sie sich an der Gegenwart oder an der Vergangenheit orientieren. Christopher Chatham von der University of Boulder behauptet: 3-jährige Kinder leben weder ausschließlich in der Gegenwart, noch können sie wie Erwachsene in die Zukunft planen. Vielmehr gilt: "They´re calling back the past only when they need it".

In ihrer Studie zeigten sie 3- und 8-jährigen Kindern eine Computeranimation mit den berühmten Comicfiguren Spongebob Schwammkopf und dem Hund Blue aus Blue´s Clue´s. Die Kinder lernten, dass Blue Wassermelonen mag. Anschließend wurden sie gebeten, mit einem Zeigestab auf einen strahlenden Smiley zu zeigen, falls sie Blue und anschließend die Wassermelone sehen. Ansonsten sollten sie auf einen traurigen Smiley zeigen. Zur Messung des mentalen Aufwands den die Kinder aufbringen mussten, wurde die Technik der Pupillometrie verwendet, bei der mittels Videoanalyse die Pupillengröße über die Zeit bestimmt wird. Das Versuchsdesign und interessante Gedanken zum Thema können Sie in einem Video der University of Boulder ansehen (Bitte klicken Sie einfach auf das Bild):




8- Jährige konnten dabei Antworten antizipieren und waren sich generell sicherer bei ihren Antworten. Die 3-jährigen sahen sich zunächst alle Bilder an und entschieden sozusagen bei jeder Wassermelone die sie sahen, ob sie vorher Blue gesehen hatten oder nicht.

Die Leiterin der Studie, Frau Prof. Munakata, zieht folgende Schlüsse aus ihrem Experiment: "Wenn Sie einfach nur Dinge wiederholen, die Ihr Kind für die Zukunft doch bitte bedenken sollte, ist das wahrscheinlich nicht effektiv. Besser wäre, sie nicht dazu zu ermahnen, irgendetwas vorauszuplanen, sondern ihnen eher den Konflikt zu verdeutlichen, den sie später haben werden. " Als Beispiel führt sie an: " Vielleicht sagen Sie so etwas wie 'Ich weiß, dass du deine Jacke jetzt nicht anziehen willst, aber wenn du später im Hof stehst und frierst, erinnere dich daran, sofort deine Jacke zu holen."

Es ist wie so oft in der Kommunikation: Entscheidend ist nicht, was man sagt, sondern was der andere versteht.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: http://www.colorado.edu/news

Donnerstag, 26. März 2009

Die Fähigkeit des Mannes, so gut verdrängen zu können, muss nicht immer schlecht sein

Schokokuchen, Erdnüsse, Cola, Burger. Lecker. Können Sie widerstehen?

Laut einer aktuellen Untersuchung der Centers for Disease Control and Prevention sind gegenwärtig 2% mehr Frauen als Männer übergewichtig. Der kleine, aber auffällige Unterschied zwischen den Geschlechtern könnte daran liegen, dass Frauen weniger dazu in der Lage sind, ihren Hunger zu unterdrücken - das zeigte jetzt eine Studie des Brookhaven National Laboratory, in der mittels Gehirnscans die Fähigkeit von Frauen und Männern überprüft wurde, die Lust auf ihre Lieblingsspeisen zu zügeln.


Die Teilnehmer an der vom Nationalen Suchtzentrum der USA gesponserten Studie sollten zunächst angeben, welche Produkte sie am liebsten essen. Anschließend lernten sie "kognitive Inhibition", um den Wunsch nach diesen Gerichten gezielt zu unterdrücken. Nach einer Nacht Fasten wurden sie am nächsten Tag im Gehirnscanner mit ihren Lieblingspeisen konfrontiert und sollten ihren Hunger unterdrücken. Bestimmte Zentren des Gehirns im limbischen und paralimbischen System sind für solche Hungergefühle verantwortlich. Durch die Unterdrückungstechnik sollte sich damit auch die gemessene Aktivität dieser Zentren abschwächen.


Das tat sie auch. Allerdings viel besser bei den Männern. Frauen waren scheinbar schlechter darin, ihren Hungerimpuls zu unterdrücken. Evolutionär kann dieses Verhalten damit erklärt werden, dass Frauen über die Zeit in der Regel nicht nur für sich selbst sorgten, sondern auch Nahrung für den Nachwuchs bereitstellen mussten. Demnach sind und waren sie empfänglicher für Hungersignale und eher bereit, diesen Signalen nachzugeben.


Den gefundenen Unterschied im Gehirn sollte man (Frau?) aber weder als Ausrede benutzen noch als alleinige Ursache für adipöse Tendenzen ansehen. Genetische und hormonelle Faktoren sowie gesellschaftliche Konventionen wirken sich mindestens ebenso stark auf unser Hungergefühl aus, wie das neuronale Zusammenspiel in unserer Schaltzentrale.


Dennoch können Männer ihren Hunger offensichtlich besser kontrollieren als Frauen, eine wegweisende Anregung.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer


Quelle: Wang, G.-J. (2009). Evidence of gender differences in the ability to inhibit brain activation elicited by food stimulation. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2009

Mittwoch, 25. März 2009

Angst kommt vor Zuneigung - zumindest zeitlich gesehen

Innerhalb von Millisekunden erkennen Sie die Gefahr.

Sie wollen vom Bürgersteig über die Straße auf die andere Seite. Dafür müssen Sie zunächst über den Radweg. Sie unterhalten sich angeregt mit Ihrer Begleiterin und blicken dabei in ihr Gesicht. Obwohl Sie den Radweg kurz vorher auf Radfahrer gecheckt haben, schrecken Sie plötzlich zurück. Keine Sekunde später bemerken Sie den erschrockenen Gesichtsausdruck Ihrer Begleiterin und im gleichen Moment fährt etwas ganz nahe an Ihnen vorbei (und beschimpft Sie vermutlich). Wo kam der her? Gut reagiert.

Wir bemerken Anzeichen von Gefahr im Gesicht unseres Gegenübers, bevor uns diese bewusst werden - und zwar in weniger als 40 Millisekunden. Diese Schnelligkeit der Verarbeitung von negativer Mimik und Gestik verschafft uns vermutlich einen evolutionären Vorteil: Auf Bedrohungen kann sofort und "intuitiv", also ohne Einschalten des Bewusstseins reagiert werden. Die Amygdala, eine Hirnregion, die auf das Erkennen negativer Emotionen spezialisiert ist, leitet Sinneswahrnehmungen quasi gleichzeitig an unsere Beine und die bewusstseinszugänglichen Gehirnregionen des Kortex weiter, die erst dann anschließend eine (vergleichsweise langwierige) Bewertung der Gefahrensituation vornehmen.


Man kann auch sagen: Wir sind quasi evolutionär darauf programmiert, primär negative Emotionen erkennen und schnell verarbeiten zu wollen, weil sie überlebensrelevant sein könnten. Angst wird deutlich schneller verarbeitet als Freude, Zorn wird schneller in Handlungen umgesetzt als Zuneigung. In gleicher Weise ist auch unsere Aufmerksamkeit darauf genetisch programmiert, Zeichen für Unmut, Trauer, Gefahr und schlechte Stimmung aus der Umwelt herauszuschälen. Menschen nutzen das unbewußt teilweise sogar gezielt aus, indem sie sich durch Jammern oder Lärm die Aufmerksamkeit anderer sichern. Und, negative Gefühle sind ansteckend: In einer gespannten Atmosphäre ist man "unwillkürlich" auch angespannter. Jemand, der ständig jammert, "zieht uns runter", obwohl wir vielleicht in guter Stimmung waren.
Wenn wir es zulassen.

i.A. Dr. Stephan Lermer

Quelle: Yang, E. (2008). Fearful expressions gain preferential access to awareness during continous flash suppression. Emotion, 7 (4), pp. 682-686

Dienstag, 24. März 2009

Obama jetzt sogar mit Heiligenschein - Zur Macht unbewusst aufgenommener Information

Erinnern wir uns an den beeindruckenden Inhalt des Blog-Eintrags vom 19.03.09. Dort ging es darum, wie sehr darum, wie sehr Geschwindigkeit und Informationsfülle unsere bewusste und unbewusste Verarbeitung von Information bestimmen. Von den 11 Millionen bits unbewusst aufgenommener Information pro Sekunde verarbeiten wir lediglich 40 bits pro Sekunde bewusst. Der Rest wird sofort ausgesteuert oder unbewusst verarbeitet und gespeichert.

Vieles, was um uns herum passiert, fällt demnach zunächst unserer selektiven Aufmerksamkeit zum Opfer. Wir richten unseren Fokus auf bestimmte Dinge und blenden dafür andere Dinge aus. Trotzdem werden einige der ausgeblendeten Informationen unbewusst weiter verarbeitet und beeinflussen letztlich unsere Einstellungen, (Vor-)urteile, Entscheidungen und Handlungen.

Ein gutes Beispiel für unbewusste Beeinflussung bietet ein Bild der AP vom U.S. Präsidenten Obama, das im Moment so oder so ähnlich in einigen aktuellen Presseartikeln erscheint:




Manche Leser sehen den "zufälligen" Heiligenschein bewusst, aber auf alle Leser wirkt er unbewusst. Mit dieser unbewussten Wahrnehmung ergeben sich auch unbewusste Informationsverarbeitungsschritte, die mächtig genug sind, Einstellungen und Handlungen zu beeinflussen. Vielleicht wirkt Präsident Obama nach der Lektüre dieses Artikels auf manche Leser - unabhängig vom Inhalt (!) des Artikels - ein Stückchen größer, erhabener, charismatischer oder heilsbringender.

Montag, 23. März 2009

"Präsentismus" - ein unterschätzter Kostenfaktor

Unternehmen entstehen zusätzlich enorme Kosten, wenn kranke Arbeitnehmer trotzdem zur Arbeit gehen - und nicht etwa nur dann, wenn sie zuhause bleiben.

Auskurieren oder trotzdem zur Arbeit gehen? Kaum jemand, der sich diese Frage nicht schon einmal gestellt hat. Relevant wird das Thema vor allem bei chronischen Leiden wie Rückenschmerzen, Allergien und Depressionen. Dass Anwesenheit trotz Krankheit vor allem wirtschaftlichen Schaden verursacht, belegt eine Studie der Cornell University: Jährlich werden 3x so viele Kosten durch "Präsentismus" verursacht, als durch Abwesenheit vom Arbeitsplatz anfallen. Folgen des Präsentismus und damit Ursachen der Kosten sind mangelnde Konzentration, arbeitsplatzbezogene Ängste, fehlende körperliche Leistungsfähigkeit und vor allem langfristige Verschlimmerung körperlicher und psychischer Leiden. Die Autoren der Studie schätzen, dass je nach Krankheit bis zu 60% der krankheitsbedingten Kosten durch Präsentismus und nicht etwa durch Absentismus oder kurative Maßnahmen verursacht werden.

Menschen, die trotz Krankheit zur Arbeit gehen und nicht zum Arzt, rekrutieren sich aus 3 Gruppen.

"Wenn ich nicht zur Arbeit gehe, geht dort alles den Bach runter" klagen viele, die bei uns Coaching und psychologische Beratung suchen. Vor allem hochmotivierte Personen, die Kompetenzen nicht gerne aus der Hand geben, sind betroffen. Hier können Einstellungsänderungen für mehr Lebensqualität sorgen.

"Angst vor Kündigung" oder generell "Angst vor finanzieller und gesellschaftlicher Degradierung" ist der zweite häufig genannte Grund für Präsentismus. Diese Personen befinden sich in einem Teufelskreis von gesundheitlichen Problemen und der Angst vor dem Verlust von sozioökonomischem Status. Im Coaching gilt es vor allem, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und individuell zugeschnitten alternative Wege aufzuzeigen.

Die dritte Gruppe sind meist selbständige Unternehmer und Freiberufler, die hohe berufliche Verantwortung für Unternehmen und Mitarbeiter tragen. Im Coaching werden dann gemeinsam passende Strategien und Roadmaps für den Krankheitsfall ausgearbeitet.

Stress, Burnout und damit verbunden depressive Verstimmungen gehören neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Arthritis zu den Krankheiten, die die meisten Kosten verusachen. Erhöhte Arbeitsbelastung, Arbeitsplatzunsicherheit und gestiegene psychosoziale Anforderungen im Beruf tragen dazu bei. Hier müssen vor allem präventive Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung ergriffen werden. Psychosoziale Kompetenz aber wird in der beruflichen Ausbildung nur selten vermittelt. Unternehmen und Arbeitnehmer haben großen Nachholbedarf bei der Förderung der Mitarbeiter und der Verbeserung der Kommunikation - auch im Krankheitsfall.


Quelle:
Goetzel, R. et al. (2004). Health, Absence, Disability, and Presenteeism Cost Estimates of certain Physical and Mental Health Conditions Affecting U.S. employers. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 46, 398-412

Freitag, 20. März 2009

Männer in Bewegung?

Wie gut kommen Sie mit den komplexen Herausforderungen klar, die Familie, Karriere, Partnerschaft und Freizeit an Sie stellen? Männer und Frauen gehen damit offenbar unterschiedlich gut um.

Männer haben sich den Anforderungen der Zukunft nur unwesentlich angepasst. Das zeigt die zweite Studie der katholischen und evangelischen Männerarbeit (Zulehner & Volz, 2009) über das Rollenverständnis von Männern und Frauen.

Im Vergleich zur ersten Studie vor elf Jahren haben sich die Ansichten von Männern zu Job, Karriere, Familie und Partnerschaft zwar verändert, doch die "Bewegung" der Männer verläuft im Gegensatz zur Veränderung des Rollenverständnisses von Frauen zu langsam.

Nach der Studie denken 19 % der befragten Männer "modern" - das heißt, sie sind für eine gleichberechtigte Partnerschaft, Kindererziehung, Elternzeit usw. Dagegen denken 27 % "traditionell", also patriarchalisch mit Frau am Herd und allen anderen gern genommenen Klischees. Obwohl sich über Für und Wider solcher Einstellungen bekanntlich gut streiten lässt, zeigt der Vergleich mit "modern" denkenden Frauen laut Zulehner: Es kommen große Herausforderungen auf heiratswillige Männer zu, denn 32 % der Frauen haben moderne Einstellungen zu Partnerschaft und Ehe. Bei den jungen Frauen unter 20 sind es sogar 41 %.

Zulehner und Volz kategorisierten die Befragten Männer nach ingesamt 4 Einstellungen:

traditionell denkend - 27%
balancierend - je nach Situation angepasstes Rollenverständnis, 25 %
suchend - ohne feste Vorstellungen von männlichem Rollenverständnis, 30 %
modern - 19 %

Aufgrund der leichten Verschiebung der Kategorien im Vergleich zur letzten Studie 1998 urteilt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick: "Die Entwicklungsbereitschaft der Männer steht außer Frage".

Allein: An der Umsetzung mangelt es.

Diese mangelnde Umsetzung lässt sich in vielen Bereichen feststellen. Veränderte und komplexere Bedingungen in Partnerschaft und Familie stellen nur einen Bruchteil der Stressfaktoren dar, denen Männer (und Frauen in gleichem Maße) ausgesetzt sind. Der erfolgreiche und bewusste Umgang mit sich selbst und mit den vielfältigen Anforderungen der Umwelt ist jedoch lernbar. Der Schlüssel dazu besteht aus zwei Teilen. Zum einen aus der Selbsterkenntnis: Die eigene Persönlichkeit mit ihren Werten und Bedürfnissen zu ergründen. Zum anderen aus der Kommunikation dieser Werte und Bedürfnisse und allgemein der effektiven Kommunikation mit der eigenen sozialen Umwelt.

Manche Männer und vielleicht ein klein wenig mehr Frauen haben das anscheinend bereits beherzigt. Für diese und für alle anderen gilt: Erfolg im Umgang mit einer komplexen Zukunft ist lernbar.

Donnerstag, 19. März 2009

Verbessern Sie Ihre Aufmerksamkeit und Entscheidungskompetenz

Konzentration und Aufmerksamkeit sind essentiell in unserer heutigen komplexen Welt. Entscheidungen hängen oft von Details ab. Die besten Entscheidungen sind meist solche, die alle Informationen berücksichtigen. Wie schwierig es sein kann, allein über kurze Dauer alle Informationen der Umwelt zu berücksichtigen, zeigt ein Video, das im Original aus dem Visual Cognition Lab der University of Illinois stammt.

Bitte klicken Sie auf das Bild, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit testen wollen. Sie werden auf Youtube weitergeleitet.






Geschwindigkeit und Informationsfülle bestimmen oft genug unsere Entscheidungen. Ein Schlüssel zum erfolgreichen Umgang mit Entscheidungssituationen ist eine wache, bewusste, aufmerksame Haltung. Welche unglaublichen Möglichkeiten der Informationsaufnahme uns zur Verfügung stehen und wie wenig Information wir davon bewusst verarbeiten, zeigten Forscher um den Psychologen Norretanders 1998: Über seine Sinnesorgane ist der Mensch fähig, in jedem Augenblick unzählige Informationen aufzunehmen. Von den 11 Millionen bits unbewusst aufgenommener Information pro Sekunde verarbeiten wir aber lediglich 40 bits pro Sekunde bewusst. Der Rest wird sofort ausgesteuert oder unbewusst verarbeitet und gespeichert.

Sie können Ihre Entscheidungskompetenz erhöhen, indem Sie Ihre Aufmerksamkeit für das, was um Sie herum vorgeht verbessern.

Informationen darüber, wie Sie Ihre Aufmerksamkeit bei bestimmten Dingen oder für Personen verbessern können, gibt es auch in unseren Blog-Beiträgen vom 9. März und vom 26. Februar. Oder besuchen Sie unser Seminar "Future Skills". Mehr dazu unter www.lermer.de

Dienstag, 17. März 2009

Salutogenese durch „mea-culpa-Ritual“?

Sie kennen es als Ritual von der Kirche: Hat man sich versündigt, dann klopft man sich dreimal auf die Brust und murmelt den Spruch "mea culpa" dazu: Meine Schuld - ich bekenne mich dazu und ich bereue es. Scheinbar ein harmloses Schuld-Eingeständnis, verbunden mit einer kleinen Geste, die die Reue körpersprachlich unterstreicht.

Doch es ist viel mehr: Diese autosuggestive Handlungsabfolge wirkt vor allem auf das Immunsystem: Aus der Psychosomatik, konkret aus der Psychoneuroimmunologie wissen wir, dass Schuldgefühle via Selbstvorwürfe, Selbstanklagen, Autoaggressionen und Depressionen das Immunsystem annagen. Unsere Abwehrlage sinkt, wir sind anfälliger für Infektionen, Viren, etc. Klopfen wir aber nun auf die Brust, dort wo die Thymusdrüse sitzt, aktivieren wir deren Funktion, Immunkörper vermehrt zu produzieren. Das ist zwar insbesondere bis zur Pubertät wesentlich, aber auch im Erwachsenenleben nicht von der Hand zu weisen. Kritiker mögen zwar einwerfen, dass die Thymusdrüse beim Erwachsenen kaum noch vorhanden ist, weil zu harmlosem Fettgewebe geschrumpft. Die Entfernung der Thymusdrüse bei Erwachsenen hat aber dennoch merklichen Einfluss auf körperliche Abläufe, ist also kein zu vernachlässigender Faktor. Und selbst dann, wenn die Kritiker total recht hätten, reagiert der Körper dennoch quasi aus der Erinnerung heraus, im Minimalfall placeboesk. Denn unser Körper ist direkt an die Weisheit unseres Unterbewusstseins angeschlossen. Nicht von ungefähr steht im Griechischen das Wort „thymos“ für „Lebensenergie“…


Quelle: Lermer S., 2009 und Lermer S., „Immunkraft“, Econ (www.immunkraft.com)

Montag, 16. März 2009

Depressionen ? Gehen Sie in die Kirche.


Klar gibt es immer wieder einmal Stimmen,

die dem Weihrauch eine lungenverpestende

Wirkung zuschreiben. Und man kann auch

nicht verhehlen, dass der in der Kirche verglimmende

Weihrauch einen Feinstaubwert erzeugt, der die

EU-Richtwerte um ein zigfaches übersteigt.

Aber lassen Sie uns von der heilenden Wirkung

des kirchlichen Weihrauch-Einsatzes sprechen:
Nicht nur ein olfaktorisches Zeichen: Hier riech

ich Weihrauch, hier ist Gott nicht weit, oder,

hier riech ich Weihrauch, schon fühl ich mich

angekommen, im Schoß der Kirche. Hinzu kommen all die

kindlichen Erinnerungen, speziell auch an

essentielle Lebenslauf-Highlights wie

erste Kommunion, Firmung, Hochzeit, Taufe ...


Es ist darüber hinaus noch viel mehr:

Dieses „Opium fürs Volk“ hat es faustdick in

seiner Rauchschale: Weihrauch wirkt unbewusst

auf den Organismus. Und zwar therapeutisch :

Wissenschaftler aus Israel haben herausgefunden,

dass Weihrauch via bestimmter Ionenkanäle direkt

unser Gehirn beeinflusst: So werden Depressionen und Ängste

werden nachweislich gelindert.


Gerade in unserer heutigen Zeit,

wo neuerdings Depressionen einerseits zu den

Fehlzeiten-Hits der jährlichen Krankheitstage zählen,

andererseits unser absurdes Gesundheitskostensystem

die Depressionsbehandlung letztlich dem Einzelnen

überlässt, ist diese Meldung sicher für viele eine

erfreuliche Lösung: Kostenlose Stimmungsaufhellung

im Gotteshaus.


Die Kirchen werden sich freuen, wenn

wieder mehr Besucher kommen, und sei es nur zum

Gesundschnüffeln. Und nicht zuletzt dürfte es auch den Heiland freuen, wenn der Besuch bei ihm ein bisschen "high" macht.


Quelle: Faseb Journal 2008


P.s.: Morgen lesen Sie, warum das „mea-culpa-Klopfen“ in der Kirche unser

Immunsystem stärkt.

Donnerstag, 12. März 2009

Zur Wirtschaftskrise


Weibliches Krisenmanagement = Erfolgreiches Krisenmanagement



Von einer Aufsehen erregenden Studie berichtet Prof. Dr. Michel Ferrari von der französischen Ceram Business School.


Er analysierte die 40 im französischen Aktienindex CAC gelisteten Unternehmen, um Wirkfaktoren für die gegenwärtige Krise zu erheben. Dabei fokussierte er seine Forschungen auf die Unternehmen, die den wirtschaftlichen Abschwung bisher vergleichsweise gut gemeistert hatten und korrelierte verschiedene Kennzahlen dieser Unternehmen mit ihrem Erfolg im Jahr 2008. Das Ergebnis: Je größer der Frauenanteil in Managementpositionen, desto geringer der Kursverfall 2008!


Prof. Ferrari vermutet, dass die unterschiedliche Risikobereitschaft der Geschlechter einen für alle Stakeholder wahrnehmbaren psychologischen Vorteil suggeriert: Forschungen zum Führungsstil von Frauen und Männern zeigen, dass Frauen eher risikoärmere und langfristig nachhaltigere Entscheidungen treffen. Geschlechterdiversität im Unternehmensmanagement führe demnach dazu, dass die Risikobereitschaft der männlichen Kollegen wieder ausgeglichen und die Unternehmenskultur vielfältiger werde. Dadurch wird das Management flexibler, anpassungsfähiger und letztlich erfolgreicher.


Ferrari gibt zu bedenken: Bislang gibt es zu wenige Studien, die den Erfolg „weiblicher“ Managementpraktiken (z.B. erhöhtes soziales Engagement) belegen. Die gängige Lehrmeinung ist, dass solche mitarbeiterzentrierten Führungsaufgaben auf Topmanagement-Ebene nicht zur Erhöhung von Rentabilität oder Dividende beitragen. Er empfiehlt daher: Mehr angewandte Forschung zu Unternehmenszielen, Unternehmensführung und Diversität sowie gezielte innerbetriebliche Förderung weiblicher High Potentials.


Quelle: Ferrari, M., in Financial Times 3/2009

Zum Amoklauf in Winnenden

"Aggressionen brauchen Ventile"
Interview mit Dr. Stephan Lermer. Antje Karbe, Mittelbayerische Zeitung, 11.3.2009


Wie verbringt mein Kind seine Zeit? Dr. Lermer rät Eltern, genau hinzuschauen

Was bewegt einen Jugendlichen, der wild um sich schießt? „Auch hier kamen mehrere Ursachen zusammen“, ist sich der Münchner Psychologe Dr. Stephan Lermer sicher. Dass im Elternhaus des Amokschützen 18 Waffen gefunden wurden, könne beispielsweise einer sein. „Andere Jugendliche hätten gar keinen Zugriff auf Waffen – Verfügbarkeit macht verführbar.“ Auch die Parallele zum gestrigen Amoklauf in den USA sei auffällig. „Das könnte durchaus ein Auslöser gewesen sein, der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.“

Grundsätzlich seien aggressive Fantasien bei Jugendlichen nicht unnormal, sagt Lermer. „Die Pubertät ist eine Revolutionsphase, ein hormoneller Ausnahmezustand. In dieser Zeit muss man viel leisten, enorme Frustrationstoleranz aufbringen und bekommt zu wenig Anerkennung dafür – ob in Form von Geld oder einer Freundin.“ Die Frage sei nur, wie sich Frust und Aggressionen dann entladen.

„Das ist auch auf positive Weise möglich, durch Sport, Kunst oder Lachen, zum Beispiel.“ Solche Ventile fehlten vielen Jugendlichen zunehmend. „Wenn jemand zuhause hockt, werden Energien nicht mehr motorisch entladen.“ Hier seien zuallererst Eltern gefragt. „Schauen Sie sich die Freunde ihres Kindes an“, rät er. „Mit wem verbringt er seine Zeit, welche Themen und Fantasien bewegen es.“ Ein Warnzeichen sei, wenn es überhaupt keine Freunde gebe, „dann fehlt das Regulativ“. Auch die Gesellschaft sei gefragt, genau hinzuschauen. „Damit problematische Jugendliche nicht in die falschen Fantasien abdriften.“ Das müsse man aus Winnenden lernen: „Wir müssen solche Themen mehr diskutieren und an Schulen noch psychologischer aufklären.“

Mittwoch, 11. März 2009

Vertrauen durch Wärme: Es kann ab und zu so einfach sein …


Die positive Macht unbewusster Assoziationen haben die Forscher Lawrence Williams und John Bargh auf ebenso einfache wie eindrucksvolle Weise empirisch belegt.


John Smith ist intelligent, attraktiv, fleißig, vorsichtig. Und kalt. Würden Sie gerne mit John Smith befreundet sein? Nein? Warum nicht? Wahrscheinlich wären Sie wie viele andere Menschen eher bereit, Freundschaft mit John zu schließen, wenn er intelligent, attraktiv, fleißig, vorsichtig und „warmherzig“ anstatt „kalt“ wäre.


Die Persönlichkeitseigenschaft „Wärme“ spielt eine wichtige Rolle bei sozialem Urteilen. Wärme suggeriert Freundlichkeit und Geborgenheit, Zugehörigkeit und Wohlbefinden. Diese Assoziation bildet sich bereits in frühester Kindheit, wenn wir zum Beispiel wärmenden Schutz zuhause nahe bei Mutter oder Vater finden.


Williams und Bargh zeigten nun, dass schon das Empfinden von Wärme dazu führt, dass wir andere Menschen positiver beurteilen.


Sie baten die Hälfte Ihrer Probanden, kurz eine Tasse warmen Kaffee in der Hand zu halten, bevor Sie einen Fragebogen ausfüllten, in dem sie die Persönlichkeit des Untersuchungsleiters einschätzen sollten.


Die andere Hälfte der Probanden bekam vor dem Fragebogen einen Eiskaffee zum kurz halten ausgehändigt.


Das Ergebnis: Bei den „gewärmten“ Versuchspersonen kam der Untersuchungsleiter viel besser weg. Die Wissenschaftler vermuten, dass sowohl Temperatur als auch soziale Emotionen in der gleichen Hirnregion verarbeitet werden - und zwar in der Insula bzw. Inselrinde, eine Region der Großhirnrinde, die eigentlich für Hunger, Durst und Nikotinsucht zuständig ist.


Fazit: Empfindungen wie von Geborgenheit, Wohlwollen, Bindung etc. sind mit dem Empfinden von Wärme aufs Engste miteinander verbunden.


Das spannende Experiment wurde ausgeweitet: Die Teilnehmer bekamen nun verschieden temperierte Kühlpackungen in die Hände gedrückt. Die Aufgabe bestand darin, ein Geschenk weiterzuschenken oder für sich selbst zu behalten.


Wie vermutet behielten diejenigen mit den kalten Händen die Geschenke lieber für sich selbst, wohingegen die „gewärmten“ Probanden bereit waren zum großzügigen Verschenken.


„Gibs aus der warmen Hand“ bekommt nach diesen empirischen Forschungsergebnissen der wissenschaftlichen angewandten Psychologie plötzlich eine ganz neue Bedeutung.


Die warme Hand will geben: Positive Einschätzungen wie physisch reale Geschenke.


Systemisch und energetisch gesehen ebenso einleuchtend wie konstruktivistisch:

Wer im Plus ist, weil psychophysiologisch gewärmt, wird tatsächlich positiver und sozialer.




Quelle: Williams, L., Bargh, J. (2008). Experiencing physical warmth promotes interpersonal warmth. Science, 322, 2008, pp. 1427-1435

Dienstag, 10. März 2009

Anhedonismus und Zeit


Anhedonismus ist die Unfähigkeit, positive Emotionen wie Glück, Wohlbefinden oder Zufriedenheit zu empfinden. Die meisten Menschen sind durchaus fähig, in gesundem Maße Glück zu fühlen. Oft gehen unsere positiven Gefühle aber in selbstauferlegtem (Zeit-) druck unter, können nicht richtig genossen werden und verblassen angesichts der Themen, mit denen wir uns aktuell "belasten" (lassen). Dazu Dr. Stephan Lermer im Bayerischen Rundfunk:



Die eigene Zeit nicht zu nutzen, seine Zeit mit überflüssigen Dingen anzufüllen oder die Zeit nicht aktiv zu nutzen, ist symptomatisch für eine Gefühllosigkeit gegenüber den guten und den schweren Zeiten, eben dem Leben selbst. „Carpe Diem“ heißt deshalb das Motto auch und gerade in turbulenten Zeiten. Nutzen Sie den Tag und fangen Sie immer wieder neu an, in Ihrem Leben selbst Regie zu führen.

Montag, 9. März 2009

Stimmt das mit dem Erwerb kommunikativer Kompetenzen durch Gesten? JA, sagt die Neurobiologie.


Von neuronaler Platizität, Sensitiven Phasen und Spiegelneuronen


Bereits vor dem Tag unserer Geburt sind wir fähig zu kommunizieren. Wir treten in Interaktion mit unserer Umwelt, ganz gleich was wir tun.


Schon Säuglinge können sehr deutlich kommunizieren. Dass es ihnen an sprachlichen Mitteln fehlt, liegt dabei nicht nur an mangelnder Erfahrung, sondern vor allem auch an biologischen Bedingungen: In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich die Gehirnstrukturen erst, die für effektive Kommunikation verantwortlich sind - dafür in dieser Zeit besonders rapide.


Die Schnelligkeit und Güte der Entwicklung dieser Strukturen hängt dabei einerseits von unveränderlichen genetischen Faktoren ab, andererseits aber von Bedingungen, auf die insbesondere Eltern maßgeblich Einfluss nehmen können. Die letzten Jahre biopsychologischer Forschung haben uns tiefe Einblicke in die psychobiologischen Grundlagen des Spracherwerbs gewährt. Vor allem aus drei neurobiologischen Prinzipien lassen sich fundierte Handlungsempfehlungen für die kindliche Sprachentwicklung ableiten:


1. Neuronale Plastizität: Das menschliche Gehirn ist zu lebenslangem Lernen fähig. Grundlage von Lernen und Erfahrung sind Aufbau und Wiederherstellung von Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn. Ein Neugeborenes kommt mit ca. 50 Billionen dieser sogenannten neuronalen synaptischen Verschaltungen zur Welt. In den Jahren nach der Geburt, in der kritischen Phase der motorischen und der Sprachentwicklung also, werden ca. 1000 Billionen neuer Verknüpfungen gebildet, von denen anschließend die Hälfte wieder verkümmert, weil die Verschaltung dann effizienter und ressourcensparender organisiert wird. Kritisch für das Wachsen dieser Verbindung ist allerdings, dass das Gehirn qualitativ und quantitativ die richtige Dosis Input erhält: Lernen ist nur in Interaktion mit der Umwelt möglich. Neue Erfahrungen müssen zu spürbaren (und am besten angenehmen) Wirkungen führen, damit sie so „verschaltet“ werden, dass erfolgreich gelebt werden kann.


2. Sensitive Phasen: Für jede Fertigkeit gibt es kritische Zeitphasen, in denen das genetisch festgelegte Programm des neuronalen Wachstums besonders sensibel ist für Lernerfahrungen aus der Umwelt. Beim Spracherwerb gibt es mehrere solcher kritischer Phasen, die individuell verschiedene Verläufe zeigen:


a) Bereits vor der Geburt und in den ersten Lebensmonaten ist zunächst die rechte Gehirnhälfte für die Sprachentwicklung wichtig. Der Säugling lernt, sich in seiner kommunikativen Umwelt zu orientieren. Er sucht aktiv Orientierung an Kommunikationssignalen insbesondere der Mutter und reagiert auf Gefühlsaüßerungen. Er beginnt, selbst Lautäußerungen zu koordinieren. Zeigen Sie in dieser Phase Ihre Gefühle, suchen Sie Körperkontakt, schauen Sie das Kind an und geben Sie eindeutig verständliche Rückmeldungen.


b) Bis zum 20. Monat wird der Wortschatz vergrößert. Hier werden vor allem die ungeheuer vielen synaptischen Verbindungen, die in dieser Zeit entstehen genutzt, um Wörter, Gesten und Mimik zu lernen und sinnvoll zu verbinden. Reden Sie in dieser Zeit viel mit dem Kind und gehen Sie auf das Wissen ein, das es bereits besitzt. Das Kind kann so neues Wissen mit altem Verknüpfen. Es lernt, neue Begriffe sinnvoll einzubinden.


c) Vom 20.-25. Monat bis zum Alter von 3 Jahren lernt das Kind unbewusst, die grammatische Struktur der Muttersprache zu entschlüsseln. Achten Sie darauf, dass Sie selbst Grammatik und Wortwahl konsistent und korrekt benutzen.


3. Spiegelneuronen: In nahezu allen Gehirnregionen fanden Forscher in den letzten Jahren Nervenzellen, die ein faszinierendes Verhalten zeigen: sie reagieren nicht nur auf eigene Aktivitäten, sondern auch auf Dinge, die andere Menschen tun und sagen. Man nimmt an, dass diese Neuronen dafür verantwortlich sind, dass Kinder ein eigenes Bewusstsein erhalten. Und dass Kinder auf Grund dieser Zellen fähig sind, durch Nachahmung zu lernen. Die meisten dieser Zellen wurden bislang unterhalb des so genannte prämotorischen Areals, das für Handlungsplanung und –steuerung zuständig ist, entdeckt. Und zwar innerhalb einer Hirnregion, die für das Sprechen zuständig ist. Die wichtigste Aufgabe der Spiegelneuronen könnte demnach sein, Kommunikation zu lernen und zu üben. Besonders in den ersten Lebensjahren bilden die Spiegelneuronen viele synaptische Verbindungen aus. Die Spiegelzellen sind ein Beleg dafür, dass Kleinkinder vieles durch Beobachtung ihrer Bezugspersonen lernen.


Seien Sie also ein gutes Vorbild: Kommunizieren Sie deutlich und kommunizieren Sie ehrlich. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es erfolgreiche Kommunikation lernen und anwenden kann. Nutzen Sie Ihr Wissen um Ihre eigene kommunikative Kompetenz und geben Sie es Ihren Kindern weiter.



Quellen:

Bates, E. (1999). Plasticity, Localization and Language Development. In: Broman, S., and Fletcher, J. (1999). The Changing Nervous System. Oxford UP

John L. Locke (1993). The Child's Path to Spoken Language. Harvard U Press