Donnerstag, 30. August 2012

Paare herhören: was/wie Sie schreiben, sagt mehr aus, als Sie denken

Chatten Sie ab und zu mit Ihrem Partner? Wenn ja, dann sollten Sie vorsichtig sein: Das, was Sie schreiben, sagt mehr aus, als Sie denken!

Dies beweist eine Studie des Psychologen Richard B. Slatcher von der Wayne State University und seinen Kollegen. Die Forscher analysierten Chatinhalte von 68 Paaren über einen Zeitraum von 10 Tagen. Die ausgewählten Paare hatten ein Durchschnittsalter von 19 Jahren und schrieben sich fast täglich "Instant messages".
Zudem gaben die Probanden das Maß ihrer Beziehungszufriedenheit an.
Die Analyse der verwendeten Wörter brachte spannende Erkenntnisse zum Vorschein:  Bei Paaren, bei denen die Frau häufiger "ich" in ihren Sätzen verwendete, schien die Beziehung stabiler zu sein. Zudem waren sowohl Mann als auch Frau sichtlich zufriedener. "Diese Beziehungen funktionieren besser, da die Frau sich dem Partner gegenüber mehr öffnet und mehr von sich preis gibt," so Slatcher. Für Männer, die häufig "ich" verwendeten, war der Vorteil nicht ganz so groß. Hier gab es nur einen kleinen Unterschied in der Zufriedenheit im Vergleich mit Männern, die "ich" selten verwendeten. Wenn Männer oft "mir" oder "mich" schrieben, hatte das sogar einen negativen Effekt auf die Beziehung! Auch die häufige Verwendung von "du" war nicht gerade positiv.

Was kann Mann also tun, um die Beziehung via Sprache zu verbessern?

Die Antwort überrascht kaum: über Gefühle reden, also auch Gefühle aussprechen! Männer mit einem "schnulzigeren" Schreibstil, der häufiger Worte wie "Liebe" oder "glücklich" enthielt, waren zufriedener in ihren Beziehungen und die Liebe hielt zudem länger!

Spannend war auch, dass das bekannte und unter Singles stark verhasste "wir", anders als angenommen, keinen besonders positiven Effekt auf Zufriedenheit oder Intimität der Beziehung hatte.

Die Forscher interpretierten die Ergebnisse folgendermaßen: Autonomie sei wichtig und gut für eine Beziehung, das beweise die positive Wirkung von "ich"-Formulierungen. Diese zeige nämlich, dass der Partner über sich und seine Gefühle Bescheid wisse und diese auch mitteile. Die häufige Verwendung von "mir" oder "mich" dagegen, deute auf eine Opferhaltung hin und beinhalte wenig Bemühung für die Beziehung. Dasselbe gelte für "du"-Formulierungen.

Probieren Sie die neuen Erkenntnisse doch gleich mal aus, und überraschen Sie Ihren Partner heute Abend mit einem freundlichen: "Ich glaube, ich sollte dir häufiger sagen, dass ich dich liebe!" (Und vermeiden Sie lauwarme Formulierungen, wie "wir sind müde" oder "wir haben keine Zeit").

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Slatcher, R. B., Vazire, S., Pennebaker, J. W.(2008): Am "i" more important than "we"? Couples' word use in instant messages. Personal Relationships, 15/4: pp. 407-424




Mittwoch, 22. August 2012

Online-Dating enttabuisiert


"Web-Flirten funktioniert ähnlich wie beim Tanzen"


Der Psychologe Dr. Stephan Lermer über buntes Treiben in Single-Börsen und Annäherung per Internet. Interview mit Dr. Stephan Lermer


Warum geben Menschen Geld für die Hoffnung auf die große Internet-Liebe aus?

Dr. Lermer: Der Mensch ist irrational. Wenn es um die Triebe oder die Liebe geht, spielt Geld keine Rolle. Außerdem ist das Single-Börsen-Treiben längst enttabuisiert. Man darf sich dazu bekennen, dass man auf diesem Weg einen Partner sucht. Hinzu kommt: früher kannte man die Menschen in der unmittelbaren Umgebung noch persönlich. Heute haben wir auch vor Ort die Anonymität. Da können wir dann gleich im Internet nachschauen.

Werden wir dort finden, was wir suchen?

Dr. Lermer: Bei manchen Plattformen gibt es Tests, über die Sie ermitteln können, wer Sie eigentlich sind und wer zu Ihnen paßt. Das macht die Partnersuche ehrlicher und zielführender. Sie können Werte und Wunschvorstellungen festlegen, haben eine viel größere Auswahl. Und eine größere Trefferquote. Da hockt irgendwo auf Rügen ein Mensch, der diese Musik gerne hört, diesen Autor liest, dieses Urlaubsziel präferiert. Hinzu kommt: Partnersuchende können sich heute Anspruchsdenken erlauben, Liebe verfolgen, Liebe leben. Und Kennenlernen im Internet ist ja wie Smalltalk: Man nähert sich zwiebelschalenmäßig an, erst durch Anklicken des Profils, dann per Email oder SMS. Und wenn man merkt, das ist es doch nicht, dann kann man den Kontakt abbrechen - wie beim Tanzen. Und beide haben ihr Gesicht gewahrt.

Fragen: Michael Nardelli


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Dienstag, 21. August 2012

1 Menschen töten um 5 zu retten?

Ein Gedankenexperiment:

Sie beobachten eine führerlose Straßenbahn, die mit hoher Geschwindigkeit direkt auf fünf Gleisarbeiter zufährt. Da die Männer auf den Schienen mit Ohrenschützern arbeiten, bemerken sie die drohende Gefahr nicht. Sie aber wiederum stehen genau an der alles entscheidenden Weiche, und Sie hätten jetzt auch gerade noch Zeit genug um die Tram, die jetzt zur tödlichen Waffe zu mutieren droht, lebensrettend umzuleiten - und damit die Männer vor ihrem sicheren Tod zu bewahren. Bis dahin keine schwierige Entscheidungslage.
Aber: Würden Sie die Gleise auch umleiten, wenn Ihre Entscheidung einen einzelnen Arbeiter töten würde, der sich fatalerweise gerade auf dem umgeleiteten Gleis aufhält?

Dieses moralische Dilemma würden 90% der Befragten dahin gehend beantworten, dass sie lieber den Tod weniger in Kauf nehmen, um damit das Leben vieler zu retten – so die subjektive Einschätzung der Befragten. Eine aktuelle Studie des Evolutionspsychologen Navarette (2011) der Michigan State Universität ging zur Erforschung des sogenannten „Trolley-Problems“ noch einen Schritt weiter. Die knapp 300 Probanden erlebten die Entscheidungssituation computersimuliert mittels 3D-Brille.

Die Hälfte der Gruppe sollte den Knopf zur Gleisumleitung drücken können und damit den Tod einer Person bewußt in Kauf nehmen – es musste also aktiv etwas getan werden. Bei der anderen Hälfte der Probanden war kein Knopfdruck nötig, zumal der Zug schon auf das zweite Gleis mit der Einzelperson zulief. Die Ergebnisse gehen konform mit den subjektiven Einschätzungen früherer Untersuchungen: In der ersten Variante stellten 90 % der Versuchsteilnehmer die Gleise um, um die fünf Personen zu retten. Auch in der zweiten Versuchsanordnung, in welcher die Personen nichts zu tun brauchten, entschieden sich 88 % der Probanden dafür eine Person zu opfern um fünf andere zu retten.

Das „Trolley-Problem" wurde in vielen Abwandlungen untersucht, unter anderem von Judith Jarvis Thomson, einer Professorin des Massachusetts Institute of Technology. In ihrer Version des „Fetten-Mann-Problems“ spielt das Entscheidungsszenario der entgleisten Straßenbahn auf einer Brücke, anstatt am Weichenstellpunkt. Die einzige Möglichkeit die führerlose Straßenbahn zu stoppen, bestand darin einen großen, schweren Gegenstand von der Brücke auf den Straßenbahnwagen zu werfen. Das einzige zur Verfügung stehende „Objekt“ ist ein dicker Mann. Würde man den dicken Mann stoßen, um die fünf Gleisarbeiter vor dem Tod zu retten?

Jetzt würden die meisten der Befragten mit „nein“ antworten. Die Forscherin Judith Jarvis Thomson meint, dass dies der Unterschied zwischen "töten" und "sterben lassen" sei. Wer die Weiche umleitet, handelt zwar aktiv, benutzt aber keinen Menschen als Mittel zum Zweck.

Als Fazit könnte man nun die erfreuliche Erkenntnis ableiten, dass Menschen sehr wohl bereit sind sozial zu handeln, bereit sind Entscheidungen zum Wohl gefährdeter anderer zu treffen, selbst wenn sie diese garnicht kennen. Solange der Preis/das Opfer dafür, also die Verantwortungsübernahme zu Lasten des "es"/des Systems/der Situation geht. So lädt man sich ja keine Schuld auf, sondern minimiert die Opferzahl. Wenn es aber darum geht selbstverantwortlich eine Entscheidung zu treffen, wodurch man schuldig am Mord eines Menschen würde, um fünf anderen das Leben zu retten, dann sagt unser Evolutionsprogramm: Stop. Nichtstun macht einen ja nicht zum Mörder. Ist zwar schade um die fünf Opfer, aber die Schuld lag und liegt ja bei den Betreibern der Starßenbahn. Und - letztlich wäre die Justiz wahrscheinlich sowieso überfordert gewesen, die Komplexität des Geschehens zu begreifen. Somit kann man die Zauderer gut verstehen.

Quelle:

Navarette, C., McDonald, M., Mott, M. & Asher, B. (2011). Virtual morality: emotion and action in a simulated three-dimensional „trolley problem“. Emotion, 12, 364-370.

Jarvis Thomson, J. (1976). Killing, Letting Die, and the Trolley Problem. The Monist, 59, 204-17.










Dienstag, 14. August 2012

Ex-Appeal: Wie Gedanken an den Ex die neue Liebe untergraben

Der spürbare Wunsch des neuen Partners mit seinem bzw. seiner Ex weiterhin eng befreundet bleiben zu wollen, ist für viele kein Grund zur Freude: es scheint eine stets schwelende "Rückfall-Gefahr" auszugehen von der aufflackernden Erinnerung an gemeinsame intime Zeiten. Der Kontakt wird deshalb oft missbilligt. Doch dass alleine schon die Gedanken an den Ex ein schlechtes Vorzeichen für das neue Liebesglück sein können und eine neue Beziehung buchstäblich untergraben können, das wurde kürzlich wissenschaftlich bestätigt.

In einer Langzeitstudie berichteten 123 Personen über ihre aktuelle Partnerschaftsqualität, ihre emotionale Verbindung zu den Ex-Partnern sowie die wahrgenommene Qualität von Partneralternativen. Diese Variablen wurden zu drei Messzeitpunkten über einen Zeitraum von 6 Monaten erfasst.

Die kanadischen Wissenschaftler Spielmann und Kollegen (2012) von der Universität Toronto fanden dabei heraus, dass eine zunehmende Sehnsucht zurück nach dem Ex-Partner das Abnehmen der Beziehungsqualität vorhersagen kann - allerdings nur wenn an den unmittelbaren Vorgänger gedacht wird.

Der sogenannte Ex-appeal-Effekt wirkt auch in die andere Richtung: Mit sinkender Beziehungsqualität schleichen sich vermehrt wohlige, romantische Gedanken an den Ex-Partner ein und untergraben so die neue Liebe. Interessanterweise war die Sehnsucht nach dem Ex dabei weitaus höher als die Sehnsucht nach einem generellen Partnerwechsel.

Dies wird von der Forschergruppe so erklärt, dass der Ex-Partner eine besonders attraktive Alternative zur aktuellen Beziehung darstellt, weil dieser als erreichbarer und leichter zugänglich empfunden wird. Nostalgie könnte hierbei auch eine Rolle spielen: Die Vergangenheit wird positiv verzehrt und romantisiert. Die Gedanken an die rosige Vergangenheit fungieren somit als Mittel zur Selbstberuhigung, wenn es zu Schwierigkeiten in der aktuellen Beziehung kommt.

Tiefenpsychologisch könnte man ergänzen, dass hier zwei klassische Muster wirken, die in uns die Evolution vererbt hat und implizit wirken: die Projektion und die Gnade der positiven Erinnerung („Die gute alte Zeit“). Die Projektion nährt die Hoffnung, dass es dort, im Paradies, oder bei jemandem, der nicht unser aktueller Partner ist, schöner wäre. Auch der/die Ex ist ja nicht da, also stört kein Schnarchen und kein Nein, alles wird geschönt. Umso mehr greift dieser Euphemismus durch die evolutionäre Gnade der positiven Erinnerung: wir vergessen zunehmend die negativen Seiten des Partners, selbst die, weshalb wir uns getrennt haben, und schwärmen insgeheim oder sogar lautstark von den Vorzügen des gebrochenen Krugs. Freunde müssen uns da gelegentlich regelrecht aufwecken und an die schlechten Zeiten erinnern, die wir aufgrund der inkompatiblen Partnerschaft erlitten haben, aber selbst nicht mehr als so schlimm erinnern. Wieder einmal genial von der Evolution, die uns durch diesen schönfärbenden Algorithmus sozusagen zwangsbeglückt, damit die Menschheit nicht ausstirbt. Geht man von der Statistik aus, dass jeder Hochzeiter zwischen 2-12 Beziehungen hinter sich hat, die nicht gepasst haben, dann müsste er sich ja eigentlich sagen, Partnerschaft ist nichts für mich. Doch er sagt sich, eigentlich war es doch sehr schön gebunden zu sein, und projiziert seine Sehnsüchte auf den nächsten ... Die Hoffnung stirbt zuletzt, bis dahin beflügelt sie uns. Doch sie sollte sich parallel zum Zeitpfeil nach vorne in die Zukunft richten und nicht zurück in die Vergangenheit zum Ex. Außer, beide haben sich geändert. Dann wären sie ja neue.


Spielmann, S., Joel, S., MacDonald, G. & Kogan, A. (in press). Ex appeal: Current relationship quality and emotional attachment to ex-partners. Social Psychological and Personality Science (2012).