Freitag, 31. Juli 2009

Hot or not? Männer sind sich einig. Frauen nicht.

Einer neuen Studie des Psychologen Dustin Wood von der Wake Forest University in Winston-Salem nach, ist der Konsens unter Männern bei der Beurteilung von Attraktivität weitaus höher als der bei Frauen.

"Männer sind sich sehr stark darüber einig wen sie attraktiv finden und wen unattraktiv, Frauen hingegen denken differenzierter," so Wood. "In unserer Studie konnten wir diesen offensichtlichen Geschlechterunterschied erstmals objektiv zeigen".

In ihrem Experiment bewerteten über 4000 Teilnehmer zwischen 18 und 70 Jahren die Attraktivität von Männern und Frauen auf Fotos im Alter zwischen 18 und 25 Jahren auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht attraktiv) bis 10 (sehr attraktiv).

Bevor die Teilnehmer die Attraktivität der Personen auf den Bilden einschätzten, wurden die Bilder erst einmal von dem Forscherteam selbst eingestuft, je nach dem wie verführerisch, selbstsicher, dünn, sensibel, modisch, kurvenreich (Frauen), muskulös (Männer), traditionell, männlich/weiblich, klassisch, gepflegt oder fröhlich die Personen aussahen. Dies half den Forschern als Marker, welche Merkmale einen besonderen Einfluss haben könnten.

Das Ergebnis: Die Urteile der Männer basierten größtenteils auf der physischen Attraktivität der Frauen: Am attraktivsten wurden vor allem Frauen mit einem schlanken, verführerischen Äußeren eingestuft. Eine kleine Überraschung fand man dennoch: Auch Frauen, die selbstsicher wirkten, wurden als attraktiver eingeschätzt.

Frauen zeigten zwar eine gewisse Tendenz für schlanke, muskulöse Männer, aber sie waren sich im Großen und Ganzen sehr uneinig darüber, wer attraktiv ist und wer nicht. Manche Frauen bewerteten Männer als sehr attraktiv, die zuvor von anderen Frauen als überhaupt nicht attraktiv bewertet wurden.

Die Studie habe wichtige Implikationen für die unterschiedlichen Strategien der Geschlechter bei der Partnersuche, so Wood. Seine Argumentation: Frauen werden mit weniger Wettbewerb um den Angebeteten konfrontiert werden, Männer hingegen müssen mehr Zeit und Energie in ihre Wunschpartnerin investieren, und sie dann noch vor anderen Interessenten bewachen.

"Die Studie zeigt außerdem, warum es für Frauen wichtiger ist, ihre physische Attraktivität aufrechtzuerhalten. Frauen, die Männer beeindrucken wollen, haben mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Erfolg, wenn sie gewisse physische Standards erfüllen. Obwohl auch Männer, die diesen Standards entsprechen, als attraktiver eingeschätzt werden - insgesamt ist ihre Bewertung nicht so stark an körperliche Merkmale gebunden," meint Dustin Wood.

Zeit für die Männer, ihr Attraktivitätsrating noch einmal zu überdenken: gibt es neben der physischen Attraktivität noch andere Vorzüge an potentiellen und realen Partnerinnen? Finden und loben Sie diese. Frauen fahren sehr erfolgreich mit dieser Strategie. Und geben zudem häufiger an, den 'Richtigen' gefunden zu haben.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
www.wfu.edu/news/release/2009.06.25.a.php, Homepage der Wake Forest University

Donnerstag, 30. Juli 2009

Rauchen wie im Film...

Bitte erinnern Sie sich an die letzten drei Filme zurück, die Sie gesehen haben. Haben die Schauspieler in den Filmen geraucht? - höchstwahrscheinlich! In Hollywoodfilmen, die etwa 80% der Filme ausmachen, die wir sehen, raucht jeder vierte Akteur!

Das wäre kein Thema, wenn nicht Jugendliche das Verhalten "ihrer Stars" imitieren würden. Doch genau das tun sie natürlich. Der Psychologe Todd Heatherton vom Dartmouth College in Hanover, New Hampshire und Kollegen haben in einer Studie wissenschaftlich untersucht, welche Folgen das Rauchen in Filmen auf junge Menschen hat:

Dazu analysierten sie in Langzeitstudien über 1000 Filme und befragten Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren. Das Ergebnis ist alarmierend: Kinder, die häufig "Rauchszenen" ausgesetzt waren, hatten ein dreimal so hohes Risiko eine Zigarette zu probieren oder selbst Raucher zu werden als Kinder, die selten "Rauchszenen" sahen! Zudem hatten die Kinder, die öfter Raucher in Filmen sahen, eine positivere Einstellung zum Rauchen und dachten, dass die meisten Erwachsenen auch rauchen würden.

Besonders überraschend war folgendes Ergebnis: Gerade den Jugendlichen, denen man ein niedriges Raucher-Risiko zugewiesen hätte, nämlich solchen, deren Eltern nicht rauchten und die selbst wenig sensationsgierig waren, zeigten den Effekt am stärksten!

Andererseits sind es gerade diejenigen Jugendlichen, die in ihrer normalen Umgebung häufig mit dem Rauchen konfrontiert werden, die dem Nachahmungseffekt weniger stark unterliegen.


Einer weiteren Studie der Medizinerin Susanne Tanski von der Dartmouth Medical School zufolge sei dabei sogar egal, ob in den Filmen die "Guten" oder die "Schlechten" rauchen.

Die Quintessenz aus der Studie von Heatherton ist die Einsicht, dass ein Rauchverbot für Filmcharaktere die Anzahl der Jugendlichen, die mit dem Rauchen beginnen, deutlich senken könnte.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Heatherton, T. F., Sargent, J. D. (2009): Does Watching Smoking in Movies Promote Teenage Smoking? Current Directions of Psychological Science, 18/2: pp. 63-67

Tanski, S. E. et al. (2009): Movie Character Smoking and Adolescent Smoking: Who matters more: Good Guys or Bad Guys?Pediatrics, 124: pp. 135-143

Mittwoch, 29. Juli 2009

Psychologische Begriffe: 'Carpenter-Effekt' - mit Selbst-Test!

"Mensch, brems endlich!" - Kennen Sie Beifahrer, die immer mitbremsen?

Sie unterliegen einem interessanten psychologischen Effekt, den der englische Arzt und Naturwissenschaftler William B. Carpenter erstmals 1852 beschrieb: Nehmen wir eine Bewegung oder eine handlungsrelevante Situation war (Stau-Ende!, Bremslichter!), dann spüren wir bewusst oder unbewusst einen Hang dazu, die entsprechenden Bewegungen auszuführen.

Ein anderes Beispiel: Im Kino wird eine rasante Achterbahnfahrt aus der Perspektive der Fahrenden gezeigt. Beobachten Sie die Leute um Sie herum, wenn es in den Looping geht: Fast jeder macht kleine Bewegungen mit Gesicht und Körper mit - ganz so, als würde er sich selbst festhalten müssen. Manche gehen sogar richtig mit und lehnen sich etwas nach links oder rechts.

Im Beitrag vom 20.7.09 berichteten wir über Spiegelneurone - die neurophysiologischen 'Auslöser' dieser unwillkürlichen Bewegungen. Wir zeigten auch, dass man nicht jede Bewegung, die man sich vorstellt (oder wahrnimmt), automatisch ausführt (oder kopiert), weil ein bewusster Hemmmechanismus uns davon abhält, auf das virtuelle Bremspedal vor dem Beifahrersitz zu treten.

Doch dieser Hemmmechanismus ist nicht perfekt - und so wird dem Carpenter-Effekt die Tür geöffnet.

Viele esoterische Phänomene, die zunächst Staunen hervorrufen, verlieren ihre Faszination, wenn man den Carpenter-Effekt berücksichtigt.

Bei vielen Wünschelrutengängern bewirkt zum Beispiel der unbewusste Gedanke daran, dass sich die Wünschelrute an einem bestimmten Ort bewegen könnte, dass sich das Verhalten der Armmuskeln unmerklich verändert - feststellbar nur an der Position der Wünschelrutenspitze. Was dann auf die falschen Ursachen zurückgeführt wird. Auch Pendeln und Gläserrücken funktioneren erwiesener Maßen nach dem Carpenter-Prinzip. Und nicht auf Grund irgendeiner höheren Macht.

Genau genommen ist der Carpenter-Effekt nur ein Spezialfall des sogenannten "Ideomotorischen Gesetzes" (auch als ideomotorisches Prinzip bezeichnet). Es umfasst neben dem Carpenter-Effekt das 'Ideo-Real-Gesetz', das Gefühlsansteckung (zum Beispiel im Kino), Mimik, Suggestion und Hypnose mit einschließt.

Genutzt wird das ideomotorische Prinzip vor allem in der Psychotherapie - bei Entspannungsübungen und im Autogenen Traning. Unter professioneller Anleitung wird hier gelernt, sich wirksam selbst zu beeinflussen, ruhig zu werden, Stress abzubauen. Dabei steht die intensive Vorstellung im Mittelpunkt, zur Ruhe zu kommen. Was dann auch wirklich passiert.

Zum Schluss ein einfacher Test zur Überprüfung des Effekts: Nehmen Sie sich ein Pendel zur Hand. Dieses Pendel kann wahrsagen! Halten Sie es mit der linken Hand in der Luft. Ihre rechte Hand befindet sich unterhalb des Pendelgewichtes. Das Pendel wird nun ja-nein-Antworten geben, und zwar folgender Maßen: Wenn Sie ihm eine Frage stellen, wird es nach einiger Zeit anfangen, sich zu bewegen: Wenn die Antwort 'nein' lautet, wird es hin und her schwingen. Lautet die Antwort 'ja', wird es anfangen zu kreisen. Hin und her für 'nein', kreisen für 'ja'. Bewegen Sie NICHT ihre Finger! Alles klar? Viel Spaß!

Zur Überprüfung: Nehmen Sie das Pendel zur Hand und denken Sie über längere Zeit: nein nein nein nein nein.... Bewegt sich das Pendel hin und her, selbst wenn Sie Ihre Finger nicht bewegen? Was passiert, wenn Sie statt dessen 'ja ja ja ja ja...' denken? Sehen Sie...


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Dienstag, 28. Juli 2009

"happy slapping" - Was tun gegen Handygewalt?

Eine Gruppe Jugendlicher verprügelt einen Mitschüler auf der Schultoilette, eine typische Pausenhofschlägerei oder ein sexueller Übergriff - fast jeder dritte deutsche Jugendliche hat schon mal einen solchen oder ähnlichen Gewaltfilm auf dem Handy gesehen. Neuerdings wird der Trend, Gewalt mit dem Handy zu filmen und zu verbreiten auch als "happy slapping" bezeichnet - welche Auswirkungen hat das, und was kann man gegen Gewalt auf dem Handy tun?

Ein Interview mit Dr. Stephan Lermer auf n-tv gibt Antworten:






gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
n-tv, Beitrag vom 24.07.2009, Nachrichten

Montag, 27. Juli 2009

Warum kurzfristiger Stress positiv ist

Chronischer Stress Tag für Tag kann sowohl physische, als auch mentale Folgen haben. Er führt zu negativen Lerneffekten und kann Auswirkungen auf unsere emotionale Befindlichkeit haben. Kurzfristiger Stress hingegen - ein einmaliges Stressereignis - kann ebenso kurzfristig zu einem Anstieg in der Gedächtnis- und Lernleistung führen! Dies bestätigen jetzt auch neurophysiologische Befunde:

Forscher der University of Buffalo haben jetzt herausgefunden, auf welchem Wege akuter Stress bei Nagetieren die Lern- und Gedächtnisleistung verbessert. Neurophysiologisch vermittelt werden die positiven Effekte von kleinen stressauslösenden Ereignissen über das Stresshormon Corticosteron - beim Menschen Cortisol.

Zusätzlich zeigte die Studie, dass akuter Stress die Übertragung des Neurotransmitters Glutamat steigert und somit das Arbeitsgedächtnis verbessert!
Stress habe beides, einen schützenden und einen schädlichen Effekt auf den Körper, so die Physiologin und Biophysikerin Zhen Yan, Mitautorin der Studie.

Für die Studie trainierten die Forscher Ratten so lange in einem Labyrinth, bis diese den Irrgarten in den meisten Durchgängen erfolgreich durchqueren konnten. Danach wurden die Nagetiere in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe musste nun vor einem erneuten Marsch durch das Labyrinth 20 Minuten schwimmen, was die kleinen Tierchen gewöhnlich als stressig empfinden.

Die Ergebnisse zeigten: Die gestressten Ratten in der "Schwimm-Bedingung" machten deutlich weniger Fehler beim Durchqueren des Labyrinths, und dies sogar noch Stunden nach dem Stessereignis!

Es zeigte sich auch, dass der kurzfristige Stress bei den Tieren nicht zu Depressionen oder anderen Angstreaktionen führte.

"Zusätzlich haben wir herausgefunden," so Yan, "dass chronischer Stress die Übertragung von Glutamat bei männlichen Ratten unterdrückt - was im genauen Gegensatz zur positiven Wirkung von akutem Stress steht. Nebenbei bemerkten wir auch, dass die weiblichen Ratten dank ihrer Östrogen-Rezeptoren bei chronischem Stress belastbarer waren."

Für kleine Nager wie für Menschen gilt also: Dauerstress vermeiden, denn er belastet die Gesundheit!
Aber: Ärgern Sie sich nicht mehr über vereinzelte stressige Tage, denn diese sind sogar förderlich für Ihre Leistung!


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
www.buffalo.edu/news/10272

Freitag, 24. Juli 2009

Was und wie Sie schreiben, sagt mehr aus, als Sie denken

Chatten Sie ab und zu mit Ihrem Partner? Wenn ja, dann sollten Sie vorsichtig sein: Das was Sie schreiben sagt mehr aus, als Sie denken!

Dies beweist eine Studie des Psychologen Richard B. Slatcher von der Wayne State University und seinen Kollegen. Die Forscher analysierten Chatinhalte von 68 Paaren über einen Zeitraum von 10 Tagen. Die ausgewählten Paare hatten ein Durchschnittsalter von 19 Jahren und schrieben sich fast täglich "Instant messages".
Zudem gaben die Probanden das Maß ihrer Beziehungszufriedenheit an.

Die Analyse der verwendeten Worte brachte spannende Erkenntnisse zum Vorschein:

Bei Paaren, bei denen die Frau häufiger "ich" in ihren Sätzen verwendete, schien die Beziehung stabiler zu sein. Zudem waren sowohl Mann als auch Frau sichtlich zufriedener. "Diese Beziehungen funktionieren besser, da die Frau sich dem Partner gegenüber mehr öffnet und mehr von sich preisgibt," so Slatcher.

Für Männer, die häufig "ich" verwendeten, war der Vorteil nicht ganz so groß. Hier gab es nur einen kleinen Unterschied in der Zufriedenheit im Vergleich mit Männern, die "ich" selten verwendeten. Wenn Männer oft "mir" oder "mich" schrieben, hatte das sogar einen leicht negativen Effekt auf die Beziehung! Auch die häufige Verwendung von "du" war nicht gerade positiv.

Was kann Mann also tun, um die Beziehung via Sprache zu verbessern?

Die Antwort überrascht kaum: über Gefühle reden, also Gefühle auch aussprechen! Männer mit einem "schnulzigeren" Schreibstil, der häufiger Worte wie "Liebe" oder "glücklich" enthielt, waren zufriedener in ihren Beziehungen und die Liebe hielt zudem länger!

Spannend war auch, dass das bekannte und unter Singles stark verhasste "wir", anders als angenommen, keinen besonders positiven Effekt auf Zufriedenheit oder Intimität der Beziehung hatte.

Die Forscher interpretierten die Ergebnisse folgendermaßen: Autonomie sei wichtig und gut für eine Beziehung, das beweise die positive Wirkung von "ich"-Formulierungen. Diese zeige nämlich, dass der Partner über sich und seine Gefühle Bescheid wisse und diese auch mitteile.
Die häufige Verwendung von "mir" oder "mich" dagegen, deute auf eine Opferhaltung hin und beinhalte wenig Bemühung für die Beziehung. Dasselbe gelte für "du"-Formulierungen.

Probieren Sie die neuen Erkenntnisse doch gleich einmal aus und überraschen Sie Ihren Partner heute Abend mit einem freundlichen:
"Ich glaube, ich sollte dir häufiger sagen, dass ich dich liebe!"

(Und vermeiden Sie lauwarme Formulierungen, wie "wir sind müde" oder "wir haben keine Zeit").


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Slatcher, R. B., Vazire, S., Pennebaker, J. W. (2008): Am "i" more important than "we"? Couples' word use in instant messages. Personal Relationships, 15/4:pp. 407-424


Donnerstag, 23. Juli 2009

Man ist, was Mama isst?

Was hat Ihre Mutter eigentlich in der Zeit gegessen, bevor Sie mit Ihnen schwanger war? Komische Frage? Keineswegs...

Die Gesundheit der Mutter in den Tagen und Wochen bevor sie schwanger wird, beeinflusst offenbar die Gesundheit des Kindes bis in dessen späteres Leben hinein. Dieser Schluss lässt sich durch die Ergebnisse neuer Studien ziehen, die auf dem momentan stattfindenden jährlichen Treffen der Society for the Study of Reproduction in Pittsburgh präsentiert werden. Diese Studien zeigen, dass die mütterliche Ernährung und Proteinaufnahme epigenetische Veränderungen in der Fötusentwicklung verursachen kann, die dann zu Konsequenzen in der späteren Gesundheit führen können.

Die Studien kommen zu folgenden Ergebnissen:

Zu viel Süßes? Mütterliche Diabetes und Embryoentwicklung

Die Zeit zwischen Ovulation und Empfängnis sei eine kritische für die Gesundheit von Mutter und Fötus, so die Biologin Kelle Moley von der Washington University School of Medicine. Sie fand in Studien mit Mäusen heraus, dass feine Unterschiede im mütterlichen Stoffwechsel zu langanhaltenden Effekten führen. Dr. Moley übertrug beispielsweise kurz nach der Ei-Einpflanzung Embryos von einer Maus mit Diabetes in eine Maus ohne Diabetes. Dies führte zu Nervenschäden, Herzschäden, Gliederdeformationen und Wachstumsstörungen beim Nachwuchs. Moley sagte, dass diese Ergebnisse Hinweis darauf seien, dass die Ideen über mütterliche Gesundheit mit dem Blick auf die Zeit vor der Schwangerschaft nochmal neu beleuchtet werden müssen.

Nimm Vitamine zu dir, bevor du schwanger wirst!

Raten wir schwangeren Frauen zu spät zur Vitaminergänzung?
Dem Biologen Kevin Sinclair von der University of Nottingham nach, kann die mütterliche Ernährung schon zum Zeitpunkt der Zeugung die Entwicklung des Fötus verändern. In Studien mit Schafen und Nagetieren fand er heraus, dass der Nachwuchs von Müttern mit einem Mangel an B12 und Folsäure beim Erreichen mittleren Alters dicker war, insulinresistenter war und einen höheren Blutdruck hatte.

Proteinarme Diät führt zu nervösen Kindern

Niedrige Proteinlevel bei weiblichen Mäusen während den ersten Augenblicken der Zeugung verursachte abnormales Wachstum, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hohen Blutdruck und sprunghaftes Verhalten beim Nachwuchs. Professor und Biowissenschaftler Tom Fleming von der University of Southampton nach, wachsen Kinder von Müttern mit Proteinmangel deswegen schneller, weil sie versuchen so viele Nährstoffe wie möglich aufzunehmen, als Kompensation aufgrund der mangelnden Versorgung im Mutterleib.

Wird Ihnen nun so einiges klar? Oder müssen Sie nochmal bei ihrer Mutter nachfragen, um mögliche Ursachen für Beschwerden aufzudecken?


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Fleming, T. P., Watkins, A. J., Eckert, J. J.(2009):
Maternal Dietary Effects on Rodent Egg/Embryo Developmental Potential and Long-Term Health.
Biology of Reproduction, 81: 4;
Moley, K. H. (2009): Too Much of a Sweet Thing - Maternal Diabetes and Oocyte Quality. Biology of Reproduction,
81: 2;
Sinclair, K. (2009): Developmental Origins of Health and Disease: B Vitamins and DNA Methylation Programming in the Oocyte and Pre-Implantation Embryo.
Biology of Reproduction, 81: 3.

Mittwoch, 22. Juli 2009

Psychologische Begriffe: "Spiegelneuronen"

Warum sind wir Menschen so speziell?

Ungleich jeder anderen Art auf diesem Planeten können wir sprechen, Werkzeuge herstellen, abstrakte Ideen zeichnen und formulieren und vor allem: Scheinbar die Gedanken anderer Menschen und Tiere lesen. Und so deren Verhalten vorhersagen.


"Theory of Mind" - "Mentalisierung" nennen Psychologen unsere Fähigkeit, die Gedanken anderer zu erraten, indem wir deren Verhalten beobachten. Ein Beispiel: Susi greift in eine leere Keksdose. Was denkt Susi wohl? Wir nehmen an, dass Susi ein Keks essen will. Und wir nehmen an, dass Susi glaubt, Kekse in der Dose zu finden. Das ist die eigentliche "Theory of Mind"-Leistung: Zu erkennen, was Susi denkt. Nur Primaten und einige Vogelarten sind überhaupt dazu fähig.

Der Mensch wiederum ist das einzige Lebewesen, das seine Annahmen über die Gedanken anderer auch noch an Dritte kommunizieren kann.


Eine der interessantesten Fragen in diesem Zusammenhang ist: Wie funktioniert das 'Gedankenlesen' eigentlich? Und in diesem Zusammenhang: Warum können wir nicht nur Absichten erraten, sondern auch mitfühlen, mitleiden und andere imitieren?


Wie bei vielen großen Entdeckungen, brachte ein Zufall die Hirnforschung auf die Spuren der Theory of Mind: Anfang der 90er Jahre gaben italienische Forscher einem Affen eine Erdnuss. Daraufhin begannen Nervenzellen im Gehirn des Affen zu "feuern", die für Bewegung zuständig waren, obwohl der Affe nicht einmal einen Finger gerührt hatte. Die Forscher waren fasziniert und wiederholten das 'Experiment'.


Und es wurde noch besser: Sie bemerkten, dass dieselben für zielgerichtete Bewegungen zuständigen Nervenzellen aktiv wurden, wenn der Affe eine Erdnuss an andere verteilte, als auch dann, wenn er selbst die Bewegung nur beobachtete! Diese Nervenzellen nannten die Forscher "Spiegelneurone".

Im menschlichen Gehirn findet man sie in vielen Regionen, besonders aber in den für bewusste Bewegungen und Handlungsplanung zuständigen Gebieten ('Prämototischer Kortex' und 'inferiorer parietaler Kortex').


Dass der Affe sich nicht bewegte, obwohl bewegungsrelevante Neuronen aktiv waren, lag an einem vergleichsweise simplen 'Hemmmechanismus' im Gehirn. Er wird automatisch aktiv, wenn wir eine Bewegung nur sehen und nicht ausführen wollen. Dass dieser Mechanismus nicht immer vollständig funktioniert, können Sie selbst in einem kleinen Experiment testen: Geben Sie einer befreundeten Person in einer Gruppe von Menschen ein Glas mit 'Wasser', in das Sie den Saft einer ganzen Zitrone gepresst haben. Teilen Sie das den anderen Personen vorher mit und Sie werden beobachten, dass sich ihre Gesichter verziehen, sobald Ihr 'Opfer' das Glas an den Mund setzt - ganz so, als würden sie die Zitrone selbst schmecken.


Das Ergebnis der Beobachtung mag zunächst nicht sehr spannend klingen, aber die theoretischen und praktischen Auswirkungen waren gewaltig: Endlich hatte man eine physiologische Erklärung dafür gefunden, wie das Lernen komplexer Abläufe funktioniert: Sprache, Sport oder bestimmte Rituale müssen wir uns zunächst von anderen abschauen oder hören, bevor wir eine Vorstellung davon entwickeln und bevor wir sie selbst ausführen können. Die Grundlage für all das liefern uns die Spiegelneurone.

In diesem kleinen Video (Anklicken führt Sie zu Youtube) erfahren Sie weitere Interessante Informationen über Spiegelneurone:

Wie wichtig diese Nervenzellen für uns sind, zeigt sich dann, wenn wir psychische Krankheiten betrachten, bei denen ihre Funktion eingeschränkt ist:


Autisten fehlt oft Empathie, Mitgefühl und die Fähigkeit, andere imitieren zu können. Wir sagen: sie leben in ihrer 'eigenen Welt'. Vieles spricht dafür, dass die Signalübertragung ihrer Spiegelneuronen nicht adäquat gesteuert wird.


Bei Schizophrenie, Alzheimer und anderen gravierenden organisch bedingten Krankheiten des Gehirns beobachtet man oft, dass die Betroffenen im Gespräch Gestik und Mimik ihrer Gesprächspartner fast zwangsweise imitieren. Die Patienten können auch nicht anders, denn bei ihnen ist der Hemmmechanismus außer Kraft gesetzt, der bei gesunden Menschen bewirkt, dass die Aktivität der Spiegelneuronen unterdrückt wird.


Von medizinischer und psychologischer Seite wird deshalb viel Engagement in die Forschung mit Spiegelneuronen gesetzt. Anthropologen und Sprachwissenschaftler versuchen aus neuen Erkenntnissen über diese gehemnisvollen Nervenzellen zu entschlüsseln: Wie die menschliche Evolution abgelaufen ist, wie Lernen und Imitation funktioniert - und was uns Menschen so besonders macht.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Rizzolatti, G. (2006). Mirrors in the mind. Scientific American, 295 (5), pp. 30-37

Dienstag, 21. Juli 2009

Kommt es auf die Größe an?

Dass manche Menschen intelligenter sind als andere, liegt auf der Hand und ist nicht zu bestreiten. Doch woran liegt das?

Hierauf versucht der Hirnforscher Eduardo Mercado der University of Buffalo eine Antwort zu finden. In seinem kürzlich erschienenen Artikel in der Zeitschrift Current Directions in Psychological Science, beschreibt er, dass bestimmte Aspekte der Gehirnstruktur und der Gehirnfunktion bestimmen, wie leicht wir neue Dinge lernen und wie die Lernkapazität zu individuellen Unterschieden in der Intelligenz führt.

Studien, die verschiedene Spezies untersuchten, haben gezeigt, dass ein größerer Kortex (Großhirnrinde) im Durchschnitt eine größere intellektuelle Kapazität voraussagt.

Die Herkunft dieser Korrelation ist unklar, aber Mercado glaubt, dass ein "größerer Kortex mehr Platz zur Verfügung stellt, innerhalb dessen dann eine größere Quantität und Vielfalt der Verteilung kortikaler Module möglich ist." Mit anderen Worten: Für das intellektuelle Potenzial ist weder die absolute noch die relative Größe des Kortexes verantwortlich, sondern die Anzahl der verfügbaren kortikalen Module. Diese Merkmale kortikaler Organisation und Funktion bestimmen, wie effektiv unser Gehirn Ereignisse unterscheidet.

Diese Fähigkeit, Ereignisse zu differenzieren ist möglicherweise das, was uns befähigt kognitive Fähigkeiten zu erlernen.

Eine wichtige Implikation der erforschten Idee: Erfahrung kann genauso wichtig sein wie genetische Faktoren im Bezug auf die intellektuelle Kapazität. Insbesondere strukturelle Veränderungen kortikaler Module durch Entwicklung und Lernen können zu individuellen Unterschieden in der Intelligenz führen. Indem sich die Netzwerke der Neuronen über die Zeit entwickeln, erhöht sich auch ihre Vielfalt, was in einem nächsten Schritt einen Anstieg der kognitiven Plastizität zeitigt.

Diese Ergebnisse sind zum einen wichtig für die Effizienz von Lerntechniken. Und sie können zum anderen zu potenziellen, neuen Methoden in der Rehabilitation von Patienten mit Gehirnschäden beitragen. Zusätzlich kann das Verständnis der Funktion kortikaler Module helfen, intelligenzfördernde Verfahren zu entwickeln. Jedoch warnt Mercado: "Neue Technologien, um die kognitive Plastizität zu erhöhen, haben ethnische Implikationen, die weit über die des Doping im Sport hinaus gehen." Er folgert: "Der Satz 'changing your mind' würde schnell eine ganz neue Bedeutung erhalten."

Zusammengefasst kann man also sagen: Es kommt nicht auf die Größe, sondern auf die Organisation an!



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Mercado III, E. (2009): Cognitive Plasticity and Cortical Modules. Current Directions in Psychological Science, 18/3: pp. 153-158

Montag, 20. Juli 2009

Führen uns die männlichen Partnerschaftsstrategien in den wirtschaftlichen Untergang?

Wie evolutionäre Psychologen die Entstehung der aktuellen Wirtschaftskrise erklären:

"Früher wurden Männer daran gemessen, ob sie gute Ernährer waren. Heute haben wir eine neue Konsumkultur, in der wir unser Potenzial hauptsächlich durch unseren Besitz an Konsumgütern zeigen, anstatt ein guter Jäger zu sein oder Schutz zu gewähren."

Das behauptet Daniel Kruger von der University of Michigan, der in seinen Studien einen Zusammenhang von finanziellen Ausgaben und dem Paarungsverhalten von Männern gefunden hat (wir berichteten im Beitrag vom 16.7.09).

Damit bewegt er sich in der mittlerweile schon klassischen Forschungsrichtung der Evolutionären Psychologie, die die Ursachen komplexer psychischer und sozialer Phänomene in sogenannten 'evolvierten Mechanismen' sieht: In der Menschheitsgeschichte haben sich die Stärksten behauptet. Das sind eben jene Individuen, die sich besonders gut anpassen konnten. Sie waren nämlich in der Lage, viele Ressourcen zu sammeln und solche Verhaltensweisen zu entwickeln, mit denen sie effizient und effektiv 'wirtschaften' (lange Zeit: 'jagen und sammeln') konnten.

Eines dieser Verhaltensmuster ist gerade bei Männern paradoxer Weise das Geldausgeben für Frauen. Die Erklärung: Mit der Bereitstellung von materiellen Ressourcen verbesserten sich die Chancen, dass sich Frauen paarungsbereit zeigten - weil sie mehr Chancen sahen, ihren Nachwuchs gut zu ernähren. Damit überlebten letztlich vor allem die Gene jener Männer, die ihren potentiellen Partnerinnen viel zu bieten hatten. Und deren Nachwuchs, der seinerseits logischer Weise wieder das 'Gen zum Geldausgeben' besaß.

Interessant dabei: Mit Hilfe dieser Theorie-Tradition versucht nun Kruger, die Entstehung der aktuellen Wirtschaftskrise zu erklären. Seine Argumentation:

"Teilweise ist die Krise natürlich ein Produkt unseres Wirtschaftssystems und der jüngsten Finanzpolitik, aber ich denke auch, dass unsere Paarungsstrategien einen Einfluss haben. Wir haben den uralten Kampf um die Ressourcen in unseren Wirtschaftswettkampf, in unsere Konsumwirtschaft und die Kultur des Wohlstandes hineingetragen," so Kruger.

"In Bezug auf die momentane Hypotheken-Krise bedeutet das: Besonders Männer unterliegen einem ständigen Status-Wettrennen. Einem Rennen um die besten Ressourcen, das meiste Geld und letztlich die meisten und schönsten Partnerinnen. Wir haben Erwartungen von einem spiralenförmigen Anstieg des Gewinns und jeder will zeigen, dass er besser als der Durchschnitt ist." Also wird lieber das größere Haus gebaut, das dickere Auto gekauft, der höhere Kredit aufgenommen.

Höchste Zeit also, darüber nachzudenken, ob wir uns unserem evolutionären Erbe so hilflos ausliefern und weiter am 'rat race' in teilnehmen wollen - mit der Angst, dass die nächste globale Blase platzt. Oder uns doch ab und zu auf tausende Jahre Kultur, Religion und Philosophie besinnen: Unsere Partnerin ins Grüne entführen, ein aufregendes Gespräch oder mehr anzetteln und einfach einmal gemeinsam die Seele baumeln lassen.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Kruger, D. J. (2008): Male financial consumption is associated with higher mating intentions and mating success. Evolutionary Psychology, 6/4: pp. 603-612

Freitag, 17. Juli 2009

Darf ich Ihnen einen Drink spendieren?

Diamanten, steigende Kredit-Karten-Schulden, Auto-Notverkauf, Hypotheken und eine neue Midlife-Crisis-Corvette - das alles sind Anzeichen für "zwanghaftes Konsumieren".

Der Psychologe Daniel Kruger von der University of Michigan sucht in der Evolutionsgeschichte bzw. der Paarung und Begattung nach einer Erklärung. Seine Theorie: Männer überziehen ihr Budget, um Frauen zu beeindrucken! Wie schon seit tausenden von Jahren läuft also im Endeffekt alles darauf hinaus, für möglichst viel Nachwuchs zu sorgen.

Kruger testete seine Hypothese an erwachsenen Männern und Frauen zwischen 18-45 und fand heraus, dass die finanziellen Ausgaben in direktem Bezug zu den zukünftigen Beziehungswünschen und zum vergangenen Paarungserfolg stand. Allerdings: Nur bei Männern!

Nach Kruger war der Umgang mit Geld der einzige Faktor, der zuverlässig vorhersagte, wie viele Partner sich Mann in den nächsten fünf Jahren wünschte und wie viele er in den letzten fünf Jahren tatsächlich hatte. Interessanter Weise führte eine Ehe der männlichen Teilnehmer nur innerhalb des ersten Ehejahres zu einer Reduktion der Partnerschaftswünsche auf genau einen Sexualpartner.

Die 25% der Männer mit den konservativsten Finanzstrategien hatten im Durchschnitt drei Partnerinnen in den letzten fünf Jahren und wünschten sich durchschnittlich auch nur eine Partnerin in den nächsten fünf Jahren. Bei den 2% der Männer mit den riskantesten Strategien verdoppelten sich die Werte auf sechs Verflossene und mindestens zwei gewünschte Partnerinnen.

"Früher wurden Männer daran gemessen, ob sie gute Ernährer waren. Heute haben wir eine neue Konsumkultur, in der wir unser Potenzial hauptsächlich durch unseren Besitz an Konsumgütern zeigen, anstatt ein guter Jäger zu sein oder Schutz zu gewähren," so Kruger.

"Das ist eine ultimative Erklärung dafür, dass wir immer das haben wollen, was andere haben. Unsere Position in der sozialen Hierarchie basiert auf unseren Ressourcen, insbesondere gilt das für Männer. Ökonomischer Erfolg war schon immer gut für den reproduktiven Erfolg eines Mannes, daher haben Männer einen besonderen Anreiz zu zeigen, dass sie wirtschaftlich gut positioniert sind."



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Kruger, D. J. (2008): Male financial consumption is associated with higher mating intentions and mating success. Evolutionary Psychology, 6/4: pp. 603-612

Donnerstag, 16. Juli 2009

Fluchen erhöht die Schmerztoleranz

Stellen sie sich folgende Situation vor: Sie laufen barfuss in Ihre Küche und bleiben dabei mit dem kleinen Zeh an der Kante des Türrahmens hängen...
Jeder kennt diesen gemeinen, kleinen Schmerz, der einen leicht dazu verleiten kann seiner Verärgerung laut Luft zu machen, zum Beispiel mit einem Fluch.

Das ist normal und das ist menschlich, aber ist es auch schmerzlindernd? Genau das wollen Forscher der Keele University jetzt herausgefunden haben. Die vor kurzem im NeuroReport Journal veröffentlichte Studie, geht von einem schmerzreduzierenden Effekt des Fluchens aus. Dieses Ergebnis überraschte selbst die Forscher der psychologischen Fakultät: Dr. Richard Stephens und seine Kollegen John Atkins und Andrew Kingston waren ursprünglich von einem gegenteiligen Effekt ausgegangen.

In der Studie mussten die Teilnehmer ihre Hand solange wie möglich in eiskaltes Wasser halten. Während dessen durften sie einen selbst gewählten Fluch ausstoßen. Danach sollten sie das Experiment wiederholen, allerdings sollten sie diesmal keinen Fluch verwenden, sondern ein neutrales Wort, zum Beispiel die Beschreibung eines Tisches.

Entgegen der anfänglichen Vermutung der Forscher konnten die freiwilligen Teilnehmer in der "Fluchen - Bedingung" ihre Hand deutlich länger in dem Eiswasser behalten, im Vergleich zu der Bedingung mit dem neutralen Wort. Das bedeutet: Fluchen erhöht die Schmerztoleranzgrenze.

Warum das so ist, und wie es dazu kommt, ist allerdings noch nicht geklärt. Stephens und Kollegen vermuten jedoch, dass das Fluchen unsere natürliche "Kampf- oder Flucht-Reaktion" aktiviert. Sie nehmen an, dass die beschleunigten Herzraten der Teilnehmer der "Fluchen - Bedingung" ein Indikator für einen Anstieg der Aggression sein könnten.
Klar ist: Das Fluchen aktiviert nicht nur eine emotionale Reaktion, sondern auch eine physiologische, was möglicherweise erklärt, warum wir überhaupt fluchen.

Dr. Richard Stephens dazu: "Das Fluchen umgibt uns seit Jahrhunderten, und es ist ein universelles, menschliches und linguistisches Phänomen. Es steht in Verbindung mit Emotionszentren des Gehirns, und es scheint in der rechten Hemisphäre lokalisiert zu sein, während fast die gesamte Sprachproduktion in der linken Gehirnhälfte stattfindet. Unsere Forschung zeigt einen potenziellen Grund warum sich das Fluchen entwickelte und warum es sich dauerhaft hält."

Wichtig für uns: Wir brauchen kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, wenn wir uns nach einem Missgeschick durch einen kleinen Fluch von einem Teil der Wut entledigen, denn: Es tut uns offensichtlich gut!


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Stephens, R., Atkins, J., Kingston, A. (2009): Swearing as a response to pain. NeuroReport, 20(12): pp. 1056-1060

Mittwoch, 15. Juli 2009

Psychologische Begriffe: 'Flow'

Selbstvergessenes Aufgehen im Tun. Ein Gefühl von länger dauerndem Glück, das man selbst kontrollieren kann. Die optimale und zutiefst erfüllende menschliche Erfahrung, vollkommen in einer Tätigkeit aufzugehen.

So charakterisiert
Dr. Mihaly Csikszentmihaly (sprich: 'Tschick-sent-michai'), rennommierter Forscher an der University of Chicago das Phänomen 'Flow', das er seit vielen Jahrzehnten erforscht. 'Unser Fühlen, Denken und Wollen sind in diesen Augenblicken in Übereinstimmung. Wir verlieren das Gefühl für die Zeit und für die Dinge um uns herum. Kurz: Alles fließt.'

Fast jeder Mensch hat dieses Gefühl schon einmal erlebt: Im Sport, wenn alles plötzlich wie von selbst 'läuft'. Im Gespräch mit Freunden über ein interessantes Thema, für das sich alle begeistern können. Bei der Arbeit, wenn die Anforderungen der Aufgaben genau Ihren Fähigkeiten entsprechen und Sie sich sicher sind, Ihr Ziel zu erreichen und dass niemand auch nur annähernd jetzt diese Arbeit so gut leisten könnte wie Sie.

Wie aber kommt man dort hin? Csikszentmihalys umfangreiche empirische Forschungen zeigen, dass man immer dann Flow erlebt, wenn man sich optimal angepassten Herausforderungen stellt. Und wenn man durch die anfallenden Aufgaben intrinsisch motiviert wird. Das bedeutet, dass man die Aufgaben um ihrer selbst Willen ausführt: man hat einfach Spaß an der gerade ausgeführten Tätigkeit.

Passen die Handlungs- oder Tätigkeitsanforderungen nicht optimal mit den eigenen Fähigkeiten zusammen, so entsteht Angst (falls die Anforderungen die Fähigkeiten übersteigen) oder Langeweile (falls die Herausforderung zu gering ist).

Zwei Befunde ziehen sich durch alle Untersuchungen zum Thema Flow:
1. In diesem Zustand des optimalen Eingebettetseins in die Arbeit ist man wesentlich produktiver. Eine WinWin-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Glück und optimale Leistung.
2. Nach dem Flow-Gefühl versuchen viele, erneut in diesen Genuss zu kommen. Meist steigen aber mit erfolgreich gelösten Herausforderungen auch die eigenen Kompetenzen. Deshalb setzt man sich automatisch höhere Ziele, um wieder Flow erleben zu können. Selbstentwicklung und Selbstmanagement leicht gemacht, quasi wie im Trance-Zustand.

Flow ist ein vielversprechendes Mittel zur Steigerung der Arbeitsmotivation. Mit Gewinnen auf allen Seiten. Und vielen positiven Nebenwirkungen.



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Dienstag, 14. Juli 2009

Tausche Eheglück gegen Familienglück?

Oft wird ein Kind als Vervollständigung einer Beziehung oder als Krönung der Liebe gesehen. Mit dem Kind erhoffen sich viele Paare eine Neuerung und eine Veränderung. Es beginnt ein neuer Abschnitt im Leben - die eigene Familie. Diese Idealvorstellung von der Krönung der Liebe ist sehr angenehm, doch entspricht sie auch der Realität?

US-Forscher haben nun herausgefunden, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Das erste Kind führe nicht nur nicht zu einer Erhöhung des Eheglücks, sondern es belaste es sogar!

Die Studie der Psychologen Brian Doss der University of Texas und Scott Stanley und Kollegen der University of Denver zeigte: Kinder können zu vermehrten Problemen und Stress in der Beziehung führen. Der achtjährigen Langzeitstudie mit 218 Paaren nach erlebten 90% der Paare eine deutliche Verschlechterung der Ehezufriedenheit nach der Geburt des ersten Kindes.

Allerdings gaben die Forscher zu bedenken, dass sich auch bei Paaren ohne Kinder die Qualität der Ehe mit der Zeit vermindere. Dennoch beschleunige ein Kind diese Verschlechterung, und zwar insbesondere in Bezug auf die Phase der Anpassung kurz nach der Geburt, so Stanley.

Die Studie zeigte auch, dass Paare, die vor der Heirat bereits zusammenlebten, mehr Probleme nach der Geburt des Kindes hatten, als Paare, die vor der Ehe nicht zusammen lebten. Dies galt auch für die Teilnehmer, deren Eltern geschieden waren oder sich in der Scheidung befanden.

Wichtig dabei: Die Ergebnisse trafen nicht auf alle Paare ohne Einschränkung zu. Es gab auch Paare, die von einer Verbesserung und einer Stärkung der Beziehung nach der Geburt ihres ersten Kindes berichteten!

Es scheint, als hatten die Paare, die schon länger verheiratet waren und ein höheres Einkommen hatten, klare Vorteile und weniger Probleme als solche mit einem geringeren Einkommen und einer kürzeren Ehe.

Stanley warnte jedoch vor der Schlussfolgerung, dass die gesamte Lebensfreude durch Kinder beeinträchtigt wäre. "Es gibt verschiedene Arten von Glück", so Stanley, "und selbst wenn ein Teil des Glanzes des Eheglücks verschwinden mag, ergibt sich eine ganz neue Dimension des Familienglücks und der Zufriedenheit, basierend auf der Familie." Diese neue Art von Glück sei kraftvoll und positiv, aber nicht Teil dieser Studie gewesen.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Duss, B.D., Rhoades, G.K., Stanley, S.M.,Markman, H.J.(2009):The effect of the transition to parenthood on relationship quality: an 8-year prospective study. Journal of Personality and Social Psychology, 96 (3): pp. 601-619

Montag, 13. Juli 2009

Wiederherstellung von Privilegien

Eine beliebte Disziplinarmaßnahme ist es, einmal gewährte Privilegien wieder zu entziehen. Diese Art der Bestrafung findet man in beinahe allen sozialen Einrichtungen, in denen sich Mitglieder zusammengeschlossen haben, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

In unserer arbeitsteiligen Welt sind das vor allem Unternehmen. Aber derartige Sanktionen kommen zum Beispiel auch im Sport vor, wo Athleten von Veranstaltungen ausgeschlossenen werden, wenn sie sich nicht regelmäßig auf die einschlägigen Dopingmittel testen lassen. Oder in religiösen Gemeinschaften, wo Mitglieder für ihr Fehlverhalten von bestimmten Riten ausgeschlossen werden.

Wie häufig diese Art der Bestrafung wirklich ist, kann man in der Kindererziehung beobachten: Verzicht auf Fernsehen, frühes Zubettgehen oder Hausarrest sind nur einige Beispiele für Privilegienentzug im Familienkreis.


Bei all diesen Sanktionen wird meist übersehen, dass sie fast immer nur vorübergehender Art sind: Athleten werden nur für eine gewisse Zeit gesperrt, das TV-Gerät wird irgendwann wieder zugänglich gemacht, und beim nächsten erfolgreichen Geschäftsabschluss wird der degradierte Mitarbeiter wieder rehabilitiert und erhält den Firmenwagen zurück.


Die Wirtschaftswissenschaftler Prof. Arran Caza und Dr. Matthew McCarter von der University of Illinois weisen nun erneut darauf hin, dass die Konsequenzen der Wiederherstellung von Privilegien in Alltag und Forschung weitgehend ignoriert worden sind. Obwohl sie in ihrer Arbeit Belege dafür finden, dass arbeitsbedingte Sanktionen in nahezu allen Fällen von Unternehmensseite wieder aufgehoben werden, zeigt eine Umfrage aus ihrem Forschungsprogramm, dass diese Tatsache sowohl von Führungskräften als auch Mitarbeitern meist nicht wahrgenommen wird.


Dabei könnte es laut Caza und McCarter ungemein wichtig sein, welche Konsequenzen aus der Wiederherstellung von Privilegien entstehen. Die Kernfragen dabei: Sind diese Konsequenzen positiv oder negativ für Betriebsklima, Arbeitszufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter? Laut den beiden Forschern kommt es dabei vor allem auf den Zeitpunkt an, an dem die Privilegien wieder gewährt werden. Und auf die Wahrnehmung des Mitarbeiters: Sieht er die Wiederherstellung als logische Konsequenz seines Erfolges (was ihn nicht unbedingt glücklich und produktiv machen würde) oder als wertvolles Ziel, dessen (Wieder-)Erlangung er selbst initiieren kann (was ihn definitiv motivieren würde)?


Vorerst bleiben die Fragen nach dem sinnvollen 'Wann?' und 'Wie?' der Wiederherstellung von Privilegien wissenschaftlich unbeantwortet. Caza und McCarter wollen dies in einem zweiten Schritt untersuchen. Zum jetzigen Zeitpunkt haben sie jedoch bereits vier Hauptgründe für die Wiederherstellung von Privilegien im Arbeits- und Organisationskontext identifiziert:
  • Externe Faktoren wie Gerichtsurteile und negative Publicity
  • Finanzieller Druck, falls die entzogenen Privilegien zusätzliche Kosten verursachen, wie zum Beispiel Überstunden von Kollegen
  • Unternehmensethik und Unternehmensnormen, die zur Wiederherstellung 'zwingen'
  • Zusätzliche Informationen, die im Nachhinein darauf hindeuten, dass die Mitarbeiter ihr Fehlverhalten nicht zu verantworten haben



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Donnerstag, 9. Juli 2009

Positive Selbst-Statements: Nutzen und Gefahr

"Du musst nur alles positiv sehen, dann wird das schon!" Dutzende Selbsthilfe-Bücher und Ratgeber legen uns diese Universalformel nahe: Zuerst kommt das positive Denken, dann kommt der Erfolg, die Heilung, die Versöhnung, ein langes Leben in Glück und Zufriedenheit. Affirmative Phrasen sind laut diesen Ratgebern meist der einfachste Weg zu mehr Optimismus: Sich ständig vorzusagen, dass man "es schaffen wird", dass "heute ein guter Tag wird" und Ähnliches.

Doch so einfach ist es nicht. Fest steht: Eine positive, freundliche, extravertierte und lebensbejahende Grundhaltung ist tatsächlich ein wichtiger Faktor für Glück und Erfolg. Optimismus schützt uns zudem vor körperlichen und seelischen Leiden und hilft uns, schneller über Rückschläge hinwegzukommen.

Fest steht aber auch: Eine optimistische Grundhaltung ist nicht ausschließlich über solche Phrasen zu erreichen. Und: Optimismus ist kein 'Allheilmittel'. Verliert man einen geliebten Menschen, so braucht man eine angemessene Zeit der Trauer. Erst danach soll und darf langsam der Optimismus zurückkehren. Und gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, dass wir unsere Situation realistisch beurteilen. Und nicht mit der rosaroten Brille geradewegs ins Verderben rennen.

Gut belegt ist zu Beispiel der sogenannte 'depressive Realismus'. Er bezeichnet das Phänomen, dass wir in Phasen schlechter Stimmung uns selbst und unsere Umgebung objektiver und realistischer beurteilen. Der Nutzen davon ist eben, dass eine realistische Neubewertung der Situation stattfindet. So wird der Weg zu einem Neustart geebnet, der auf den besten - weil korrekten - Informationen über uns selbst und unsere Möglichkeiten aufbaut.


Joanne Wood, Professorin der Psychologie und ihre Kollegen von der University of Waterloo (Ontario) untersuchten die Wirkung von affirmativen Sätzen wie 'I can do it' oder 'I will succeed' in Abhängigkeit des Selbstwertgefühls ihrer Versuchsteilnehmer. Dabei fanden sie, dass solche Sätze bei Personen mit hohem Selbstwertgefühl Optimismus und Selbstvertrauen weiter steigern können - nach dem Motto: 'Wer hat, dem wird gegeben'.


Allerdings: Personen, die von vorneherein unter geringem Selbstvertrauen litten, profitierten von diesen Sätzen nicht. Im Gegenteil: Ihr Selbstvertrauen wurde noch geringer! Wood stellt fest, dass positive Statements nur dann wirksam sind, wenn sie bestätigen, was wir sowieso schon glauben. "Wenn aber Personen mit geringem Selbstvertrauen positive Gedanken wiederholen, widersprechen sie in Wahrheit ihrer Realität. Wenn sie also sagen 'Ich bin eine liebenswerte Person', werden sie gleichzeitig denken 'Ja gut, aber nicht immer', oder 'Ja, aber nicht so'. Diese "kontradiktorischen Gedanken" nehmen irgendwann überhand, und damit wird das geringe Selbstvertrauen verstärkt."

Auf Grund ihrer Erfahrung und vieler weiterer Studien weiß Wood, dass positive affirmative Sätze per se hilfreich sind. Entscheidend ist allerdings, dass die für Personen mit niedrigem Selbstbewusstsein nur dann nützlich sind, wenn sie in ein breiteres Therapie- oder Selbsthilfeprogramm eingebettet sind. Hilfe zur Selbsthilfe sollte von professioneller Seite abgestimmt sein, sonst "kann sie genau den umgekehrten Effekt haben und sehr frustrierend sein".


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Wood, JV, Perunovic, W. Lee, JW (2009). Positive self-statements: Power for some, peril for others. Psychological Science, 2009 (6)

Mittwoch, 8. Juli 2009

Psychologische Begriffe: 'Resilienz'

Warum gehen manche Menschen offensichtlich spielerisch mit den kleinen Unannehmlichkeiten des Alltags um, während andere von Kleinigkeiten dauergestresst werden? Warum tragen manche Menschen schwere Rückschläge mit Würde und erholen sich verhältnismäßig schnell davon, während andere lange Zeit danach noch schwer beeinträchtigt sind? Und warum federn manche Menschen Stress einfach ab, während andere ihn geradezu zu fressen scheinen?

Wenn verschiedene Menschen in ähnlichen Situationen mit ähnlichen Stress auslösenden Dingen ganz unterschiedlich umgehen, führen das Psychologen meist auf eine ganz bestimmte Eigenschaft zurück: Ihre Resilienz.

Resilienz bedeutet in etwa 'Stresskompetenz' und beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, Stress auszuhalten und nicht daran zu zerbrechen - etwa psychische Leiden zu entwickeln oder konstant schlechte Stimmung zu haben und zu verbreiten. Resilienz bedeutet auch: Effektive und durchdachte Strategien gegen den Stress zu betreiben, obwohl man mit harten Zeiten, Verlusten oder chronischen Belastungen konfrontiert ist.

Um die zwei Pole der Resilienz zu verdeutlichen, hilft ein Vergleich zwischen Gusseisen und Schmiedeeisen: Gusseisen ist starr, hart, spröde und bricht leicht. Schmiedeeisen dagegen ist weich, anpassungsfähig und flexibel - deshalb auch das Bild, das Resilienz am besten beschreibt: 'Zurückfedern' (engl. 'bounce back') von Stress.

Die Charakteristika resilienter Menschen sind entsprechend:

  • Die Fähigkeit, Stress abzufedern und sich von beinahe allem rasch zu erholen
  • Die Einstellung: 'Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg'
  • Die Einstellung, Probleme als Herausforderungen zu begreifen
  • Durchhaltevermögen
  • Die Fähigkeit, Gelegenheiten zu erkennen und wahrzunehmen
  • Ein festes System aus Werten und Glaube
  • Ein Netzwerk aus Menschen, die soziale Unterstützung gewähren
  • Ein breites Repertoire an Strategien, um mit Stress umzugehen
Das beste daran: Insbesondere die neuere Forschung zeigt, dass Resilienz kein 'Glücksfall' ist, sondern im Gegenteil in hohem Grade trainierbar, weil erfahrungsbasiert. Das Ziel ist, die eigene Stresskompetenz zu erhöhen und den Umgang mit Stress zu optimieren. Denn Stress und kritische Lebensereignisse können nicht nur durch nachträgliches Problemlösen äußerlich aufgearbeitet werden, sondern müssen und können auch emotional mit geeigneten Strategien verarbeitet werden.

Dazu kommen viele präventive Maßnahmen: Unter anderem der Aufbau positiver sozialer Beziehungen, die Entwicklung einer positiven, wohlwollenden Lebenseinstellung, der Aufbau von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und die Fähigkeit, genießen zu können.

In unseren Trainings und Coachings nimmt Resilienz deshalb einen zentralen Platz ein. Wir vermitteln Resilienz nachhaltig, über ein umfassendes Modell der Stressbewältigung:





gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle u.a.: Tugade, M, Fredrickson, B (2004). Resilient individuals use positive emotions to bounce back from negative emotional experiences.
Journal of Personality and Social Psychology, 86 (2), pp. 320-333

Dienstag, 7. Juli 2009

"Sei mein Held - oder verliere alles." Aber ohne mich.

Risikoverhalten von Männern und Frauen unter Stress

"Der Gedanke, etwas nicht zu riskieren, ängstigt mich zu Tode." Der Spruch stammt von Kevin Kostner, den viele als 'urmännlich' bezeichnen würden. Wir kennen ihn typischer Weise aus actiongeladenen, dramatischen Rollen. Mit dem Auge des Wissenschaftlers und Psychologen betrachtet würden wir ihm attestieren, dass er ständig unter Stress steht. Und dann Dinge wagt, die (meistens) Erfolg bringen.

In den allermeisten Fällen sind es auch in Filmen Männer, die unter Stress die unmöglichsten Risiken eingehen, während Frauen sich eher zurückhalten und mit großen Augen dem Helden vertrauen. Aber stimmt dieses Klischee auch?

In unserem Beitrag 'Gender Matters' vom 30.6.09 berichteten wir über Ergebnisse aus den Neurowissenschaften, die zeigen, dass bei Männern und Frauen teilweise andere Gehirnareale aktiv werden, wenn sie unter Stress stehen. So werden bei Männern eher Regionen aktiv, die mit Kampf oder Flucht (also Verhaltensaktivierung) zu tun haben. Bei Frauen dagegen dominieren Regionen, die mit emotionaler Stressverarbeitung assoziiert sind.

Nichole Lighthall von der University of Southern California hat nun nachgewiesen, dass sich diese im Gehirn sichtbaren Aktivierungen auch auf das Verhalten auswirken. Sie setzte die Hälfte ihrer Teilnehmer akutem Stress aus, während die übrigen Frauen und Männer in einer lockeren Stimmung an ihrem Versuch teilnahmen.

Dort hatten dann alle die Aufgabe, Luftballons aufzublasen - virtuell, per Mausklick am PC. Je weiter sie die Ballons aufbliesen, desto mehr Geld konnten sie gewinnen. Das Risiko dabei: Die Ballons platzten bei unterschiedlichen Größen. Passierte das, verloren die Teilnehmer ihr Geld.

Und hier bestätigten sich das Klischee und die neuropsychologischen Befunde tatsächlich: Männer, die unter Stress standen, steigerten ihre Risikofreudigkeit um 20%, während bei Frauen die Risikofreudigkeit um fast 30% sank!

Nichole Lighthall erklärt das Ergebnis so: "Evolutionär gesehen ist es vielleicht nützlicher für Männer, in Stresssituationen, wenn es um alles oder nichts geht, aggressiv zu reagieren. Wir haben finanzielle Risiken untersucht, aber dort verhält es sich genauso wie bei modernen Revierkämpfen oder anderen wertvollen Ressourcen."

Andererseits: "Es gibt offensichtlich Situationen, in denen Risikoverhalten schädlich ist. Manchmal ist es gewinn bringender, konservativ, rational und langsam zu reagieren."
Diese gründliche, rationale Verarbeitung von Stress und Risikosituationen zeigt sich offensichtlich eher bei Frauen. Solche Situationen finden wir ganz häufig in wirtschaftlichen Krisensituationen, weshalb manche Autoren vorschlagen, in Wirtschaftskrisen mehr weibliche Manager zu beschäftigen und den Entscheidungsspielraum weiblicher Entscheider zu erhöhen (siehe unseren BLOG-Beitrag vom 12.3.2009)



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: University of Southern California (2009, July 1). Risky Business: Stressed Men, But Not Stressed Women, More Likely To Gamble And Takes Risks.

Montag, 6. Juli 2009

Einen Fuß in der Tür

Sie müssen am Donnerstag einen sehr wichtigen Vortrag halten. Dazu haben Sie eine Powerpoint-Präsentation entworfen, doch nun fragen Sie sich: Ist sie auch wirklich gut? Sie hätten einfach gerne, dass ein Kollege sie Korrektur liest, nur um sicher zu gehen...doch wie bekommen Sie ihren Kollegen dazu, gerade wenn der "Gefallen" sehr zeitaufwendig ist?

Eine solche Situation wäre eine gute Gelegenheit, die wissenschaftlich gut belegte "Foot in the door technique"anzuwenden. Der Name verrät schon das Prinzip. Man fällt nicht gleich mit der Tür ins Haus, sondern fragt zuerst nach einem kleinen Gefallen. Dieser kleine Gefallen kostet den Gefragten wenig und macht seine Hilfe somit sehr wahrscheinlich.

Interessant dabei sind zwei Dinge. Erstens schafft dieser kleine Gefallen "Commitment", das heißt eine Art Verbundenheit (Verpflichtung) mit dem Fragenden. Zweitens wollen alle Menschen in der Regel konsistent handeln. Und das ist der entscheidende Punkt bei der Frage nach dem größeren Anliegen im nächsten Schritt. Da wir bei der kleinen Bitte bereit waren zu helfen, ist es nur konsequent auch bei der großen Bitte zu helfen. Wir rechtfertigen unser Handeln vor uns selbst, und dies führt dazu, dass wir auch bei der großen Bitte helfen, um nicht inkonsistent zu handeln.


Die beiden Forscher Freedman und Fraser von der University of Toronto führten hierzu eine Untersuchung durch, in der sie bei fremden Menschen an die Tür klopften und fragten, ob diese bereit wären die "Drive Carefully Trough Our Neighbourhood" - Kampagne zu unterstützen. Dafür sollten sie ein mehrere Meter großes Schild mit der Aufschrift "DRIVE CAREFULLY" an ihrer Hausfront anbringen lassen. Nur 17% der Befragten waren dazu bereit.

Eine weitere Studie zeigte, dass diese Zahl durch die "Foot in the door technique" deutlich gesteigert werden konnte: Dazu wurden die Teilnehmer zuerst danach gefragt, ob sie bereit wären ein kleines Blatt mit der Aufschrift "BE A SAVE DRIVER" in ihr Fenster zu hängen. Zwei Wochen später kam dann die "große Bitte" und es zeigte sich, dass diese Leute deutlich häufiger zustimmten. Warum?

Man kann es damit erklären, dass die Teilnehmer durch die kleine Bitte bereits eine persönliche Verbindung zu der Kampagne aufgebaut hatten. Zudem wollten sie
konsistent handeln, das heißt sie hatten sich einmal für die Kampagne engagiert, dann wäre es inkonsistent dies nun plötzlich nicht mehr zu tun.

Was bedeutet das nun für Sie und ihre Präsentation? Ganz einfach: Fragen sie einen Kollegen doch erst, ob er mal eine Folie anschauen könnte, bei der sie sich noch unsicher sind. Hat er dies getan wird er eher dazu bereit sein, auch eine ganze Präsentation zu überarbeiten...



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
JL Freedman, SC Fraser - Readings about the Social Animal, 2003

Donnerstag, 2. Juli 2009

"Ordnung im Chaos" - unser Verlangen nach Struktur beeinflusst unsere Entscheidungen

Teil 3 - Wie Sie Wahrnehmungsfehler und Kontrollverlust vermeiden können

An den letzten beiden Donnerstagen berichteten wir über die Aufsehen erregenden Forschungsergebnisse von Jennifer Whitson und Adam Galinsky
(Universität in Austin, Texas). Sie wiesen experimentell nach, dass Verlust von Kontrolle über private und berufliche Aufgaben unser Gehirn automatisch nach Mustern und Strukturen suchen lässt, die diese Kontrolle wiederherstellen.

So 'erkennen' Menschen, die experimentell Kontrollverlust erlitten hatten, in eigentlich zufälligen Börsenschwankungen 'bedeutsame' Muster und Trends (siehe Beitrag vom 18. Juni). Whitson und Galinsky wiesen auch nach, dass Aberglaube und Verschwörungstheorien auf dem Nährboden von Kontrollverlust gedeihen (siehe Beitrag vom 25. Juni). Kontrollverlust führt also zu Wahrnehmungs- und Interpretationsfehlern, die durchaus ernsthafte Nebenwirkungen haben können.

Wie vermeidet man also die Entstehung derartiger Wahrnehmungsfehler?


Man packt das Übel bei der Wurzel! Der Schlüssel dazu ist tatsächlich die Wiederherstellung des Kontrollgefühls. Wir müssen uns - real oder sogar künstlich - dieses Kontrollgefühl wieder vergegenwärtigen, uns bewusst werden, dass wir fähige Menschen sind, die in der Regel Entscheidungen treffen können - und zwar gute! - und uns gemäß unserer eigenen Bedürfnisse und Werte verhalten.

Whitson bat ihre (unter zuvor künstlich induziertem Kontrollverlust leidenden) Versuchspersonen zu diesem Zweck an Ereignisse zu denken, die sie völlig unter Kontrolle hatten, bei denen sie eine optimale Leistung erbracht und einfach ein gutes Gefühl hatten. Zusätzlich sollten sich ihre Versuchspersonen auf ihre Werte, ihre Grundüberzeugungen und wichtige Dinge in ihrem Leben besinnen.


Sie ließ sich diese Geschichten erzählen und gab ihnen dann ebenfalls die Börsen-, Aberglauben- und Verschwörungsaufgaben. Und siehe da: Sie verhielten sich genauso wie die Menschen, die zuvor nicht unter Kontrollverlust litten.
Unsere Erinnerung - an vergangene Leistungen und an die Werte, die uns leiten - wirkt also protektiv.

Die Experimente von Whitson und Galinsky offenbaren eine gute Strategie für Krisenzeiten: Wenn wir uns vergegenwärtigen, was wir können und was wir geschafft haben
  • entscheiden wir besser
  • sind wir weniger abergläubisch
  • haben wir weniger negative Einstellungen gegenüber anderen (Verschwörungstheorien) und
  • verbesserte Selbstwirksamkeitsüberzeugungen
So können wir also wieder Ordnung im Chaos unseres Lebens herstellen. Nicht nur eine vorübergehende, fiktive Ordnung, sondern womöglich eine nachhaltige, reale.



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Whitson, J. & Galinsky, A (2008). Lacking control increases illusory pattern perception. Science, 322, pp.115-117

Mittwoch, 1. Juli 2009

Psychologische Begriffe: Dissonanz

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf Diät. Diesmal ziehen Sie es durch. Und dann finden Sie sich plötzlich Schokolade essend vor dem Fernseher wieder.

Diese Situation schmeckt Ihnen bestimmt nicht. Die Spannung, die Sie dabei fühlen nennen Sozialpsychologen 'Kognitive Dissonanz'. Sie entsteht immer dann, wenn zwei oder mehr Kognitionen - das heißt: Bewusstseinsinhalte, Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen, Überzeugungen, Einstellungen - unvereinbar sind. Siehe auch Wikipedia für eine genauere Begriffsdefinition.

Schon 1957 stellte der Psychologe Leon Festinger fest, dass Menschen sich in der Regel konsistent verhalten wollen. Wir haben feste Glaubenssätze und Einstellungen, die wir nicht gerne ändern. Wir verhalten uns in ähnlichen Situationen gleich und haben bestimmte Meinungen, die wir auch mit Bestimmtheit durchsetzen wollen. Und wenn wir auf Diät sind, dann sind wir auf Diät.

Falls wir nun also während der Diät 'sündigen', nehmen wir zwei Dinge wahr: 1. unsere Überzeugung, dass uns eine Diät gut tut und 2. unser Verhalten, das so gar nicht zu unserer Überzeugung passen mag. Diese Diskrepanz zwischen 1. und 2. wollen wir natürlich nicht auf Dauer spüren - das Gefühl ist sehr unangenehm, wie Sie vielleicht wissen. Und deshalb versuchen wir bewusst oder unbewusst, diese Spannung wieder zu reduzieren.

Und hier wird Festingers Theorie interessant. Er beschreibt nämlich ganz allgemein Wege, wie wir Kognitive Dissonanz wieder abbauen können:
  1. unsere Überzeugung ändern: "Eigentlich muss ich keine Diät halten"
  2. die eigene Wahrnehmung anpassen: "Ich habe doch nur ein bisschen davon gegessen"
  3. konsonante Kognitionen suchen, das bedeutet das eigene Verhalten schön reden: "Allerdings ist Schokolade auch nahrhaft und regt den Stoffwechsel an"
  4. den gesamten inneren Konflikt herabspielen: "He, was soll´s, das Leben ist kurz"
  5. sich die eigenen Wahlmöglichkeiten abreden: "Ich hatte keine Wahl. Die Schokolade läuft bald ab und außer mir isst sie ja eh keiner"
Die Reduktion von kognitiver Dissonanz lässt sich in vielen Situationen beobachten, so z.B. wenn man stundenlang für ein Konzert in der Schlange steht und am Ende die Musiker schlecht waren oder man aus irgendwelchen Gründen am Konzertabend verhindert war. Probieren Sie es selbst aus: Welche 'Ausreden' würden Sie in den beiden Fällen benutzen?

Der Feind meines Feindes ist mein Freund
Festingers Theorie kann auf beliebig viele Kognitionen ausgedehnt werden. Ein beliebtes Beispiel: A mag B nicht. Nun kommt X und fängt mit B Streit an.


Welche Möglichkeiten hat A nun?

1. Er könnte mit X Freundschaft schließen. So hätten X und A ein gutes Verhältnis und könnte gemeinsam gegen B vorgehen. Das Beziehungsdreieck wäre damit konsonant.
2. Er könnte versuchen, mit B einen Neuanfang zu starten, müsste dafür aber X außen vor lassen.
3. Er könnte versuchen, mit B einen Neuanfang zu starten und ihn gleichzeitig von X´s Qualitäten überzeugen.

Von den 3 Möglichkeiten ist die dritte sicherlich die aufwändigste und die erste mit Abstand die einfachste. Ein Sozialpsychologe würde demnach - falls er keine anderen Informationen über die Situation hat - vorhersagen, dass sich hier zunächst eine Allianz von A und X gegen B bildet.

Übrigens Die Konstellationengehen auf Dauer NICHT. Sie sind DISSONANT. Warum? Der linke Fall ist für alle Parteien schlecht. Sind A, B, X Geschäftspartner, hat niemand einen Profit davon, wenn sich keiner mag. Es ist zu erwarten, dass sich zumindest zwei der Parteien zusammenschließen werden. Im rechten Fall (nehmen wir an, es handelt sich um ein Partnerschaftsproblem) sollte es B und X stören, dass der jeweils andere mit A gut zurecht kommt. Ein typischer Fall von Eifersucht! A sollte ebenfalls auf lange Sicht keinen Gewinn aus der Sache ziehen - Falls B und X nämlich anfangen sich zu mögen, könnte er bei beiden in Ungnade fallen (wie so oft bei 'Dreiecksbeziehungen').

Im Rahmen unserer Business- und Partnerschaftstipps (Mo und Fr) werden wir noch öfter auf die Theorie der Kognitiven Dissonanz zurückkommen. Viele Herausforderungen des Lebens lassen sich damit elegant veranschaulichen und oft auch bewältigen.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer