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Dienstag, 8. Dezember 2009

Empathisch kommunizieren - Fragearten

Sicher ist Ihnen die Formel "Wer fragt, der führt" geläufig. Und trotz aller Abnutzungserscheinungen dieses immer wieder zitierten Mottos stimmt es immer noch: Jeder kluge Richter oder Arzt, Coach oder Verkäufer, Handwerker oder Diplomat wird dann den meisten Erfolg ernten, wenn er zielgerichtet fragt, was sein Gegenüber auf dem Herzen hat, was der andere will.

Fragearten
Je nach Intention können Sie Fragen ganz unterschiedlicher Form stellen:
  • So will die Suggestivfrage manipulieren: "Da sind Sie doch sicher meiner Meinung?"
  • Die rhetorische Frage erwartet keine Antwort: "Ja, da kann man halt nichts machen, oder?"
  • Die Gegenfrage ist beliebt, wenn einem keine Antwort einfällt: "Und wie halten Sie es selbst?"
  • Die Alternativfrage ist bei Verkäufern sehr beliebt, um zum Abschluss zu gelangen. Davon ausgehend, dass der Kunde sowieso einen Wagen kauft, fragt der Autoverkäufer: "Hätten Sie lieber die Automatik- oder die Schaltversion?"
  • Die reflektierende Frage will Kommunikationsstörungen beheben helfen: "Sie haben also seit Tagen schon das Gefühl, das ganze Team rede irgendwie aneinander vorbei?"


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer
Quelle: Lermer, Stephan (2005). Kommunikative Kompetenz. Gabal Verlag

Mittwoch, 30. September 2009

Psychologische Begriffe: Der 'Sleeper-Effekt'.

Der von den Kommunikationsforschern Hovland, Lumsdaine und Sheffield (1949) eingeführte Begriff 'Schläfer-Effekt' hat nichts mit Terrorismus oder Verbrechen zu tun.

Er bezeichnet eine erstaunlich wirksame Erinnerungsverzerrung, bei der sich die wichtigsten Inhalte einer Botschaft mit der Zeit immer mehr durchsetzen und unsere Einstellungen und Ansichten beeinflussen, während unwichtige Dinge oder die Quelle, aus der die Botschaft stammt, mit der Zeit von selbst vernachlässigt werden.

Ganz konkret: Stellen Sie sich vor, sie nehmen an einem tatsächlich durchgeführten Experiment von Gruder und Kollegen teil, die die Hovland'sche Theorie überprüfen wollen. Sie bekommen einen Text vorgelegt, dessen Inhalt gegen die 4-Tage-Woche spricht. Am Ende des Textes erhalten Sie jedoch einen kurzen Hinweis, dass die Quelle, aus der der Text stammt, unglaubwürdig ist und zusaätzlich ein Statement für die 4-Tage-Woche. Werden Sie gleich nach dem Experiment gefragt, was Sie von der 4-Tage-Woche nun halten, wird ihre Meinung neutral oder geteilt sein. Eigentlich hatten Sie gute Argumente gegen die 4-Tage-Woche gelesen, die Sie vermutlich durchaus teilen. Andererseits ist scheinbar die Quelle, aus der die Informationen stammen, unglaubwürdig.

Bittet man Sie allerdings nach ein paar Wochen noch einmal ins Labor und befragt Sie zur 4-Tage-Woche, so passiert Erstaunliches: Ihre Einstellung zur 4-Tage-Woche wird sich über die Zeit verändert haben. Sie sind nun mit großer Wahrscheinlichkeit gegen die 4-Tage-Woche eingestellt, wenn Sie nicht schon meinungsmäßig vorbelastet waren. Warum?

Die Erklärung: Die aufgenommenen Argumente gegen die 4-Tage-Woche 'schlafen' in Ihrem Gedächtnis, sobald Sie gut genug eingelesen worden sind. Während diese wohlgelernten und -durchdachten Informationen also gut gespeichert sind, ist mit großer Wahrscheinlichkeit die kurze Information für die 4-Tage-Woche vergessen. Ebenso nicht mehr präsent ist die 'unglaubwürdige' Quelle, von der die Information stammt.

Was Ihnen somit nach der langen Zeit, in der Sie viele andere wichtige Informationen verarbeiten mussten, nur noch einfällt, ist: Der 'Fakt', dass die 4-Tage-Woche schlecht ist und die 2-3 besten Argumente dafür.

Heute erklären Forscher das Phänomen der schlafenden Informationen mit der 'Abkopplungshypothese': Speichert man Infomation A zusammen mit Gegeninformation B und Quelle X, werden mit der Zeit zunächst A und B von X im Gedächtnis getrennt. Zusätzlich bewirkt B, dass wir alle Argumente von A nochmals bewusst oder unbewusst durchdenken und damit A noch stärker gewichten. Mit der Zeit verdrängt A dann die schwächere Information B völlig aus dem bewusstseinszugänglichen Gedächtnis.

Sparen Sie also nicht mit 'Bedenken', wenn Sie jemanden langfristig von einer Sache überzeugen wollen. Der kleine Hinweis am Ende Ihrer Argumentation: 'Es könnte aber auch sein, dass Sache X sich ganz anders verhält...' bewirkt bei ihrem Kommunikationspartner, dass er Ihre ursprünglichen Argumente langfristig noch besser verinnerlicht.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Mittwoch, 19. August 2009

Psychologische Begriffe: "Duchenne-Lächeln"

Lächeln ist im Vergleich zum Strom kostenfrei und wärmt auch noch das Herz.

Natürlich sind wir uns dessen bewusst und ringen jeden Tag mit einem Lächeln im Anschlag um Sympathien. Dabei gibt es täglich viele Gelegenheiten, bei denen uns eigentlich überhaupt nicht zum Lächeln zumute ist, wir es aber dennoch tun, weil die kulturellen Konventionen unsere Mundwinkel automatisch oder künstlich nach oben wandern lassen.

Vertragsverhandlungen mit Kunden, Vorstellungsgespräche, Unterhaltungen mit Fremden und Vorgesetzten gehören in diese Kategorie. FlugbegleiterInnen oder MitarbeiterInnen von Call-Centern werden im Lächeln geschult, denn die Vermittlung von Sympathie und Sicherheit gehört zu ihren Kernaufgaben.

Im Beitrag vom Dienstag, 17.8.09 berichteten wir (am Rande), dass es einen leicht zu erkennenden Unterschied zwischen echtem und unechtem Lächeln gibt. Die BBC hat einen anschaulichen Test entwickelt, mit dem auch Sie Ihre Fähigkeit überprüfen können, falsches Lächeln zu entlarven und echtes Lächeln zu erkennen. Bevor Sie weiter lesen, können Sie auf das Bild klicken und diesen kurzen Test absolvieren:



Zum Test der BBC



Welches Lächeln kam von Herzen, welches war falsch? Falls Sie den Test nicht durchgeführt haben, klären wir Sie gerne auf, wie man ein echtes von einem unechten Lächeln unterscheidet: Achten Sie auf die Augen! Denn bei einem Lächeln, das von Herzen kommt, lächelt das ganze Gesicht mit, die Augen blitzen vergnügt, die Pupillen weiten sich. Dieses Lächen wird auch 'Duchenne-Lächeln' genannt, nach dem französichen Physiologen Guillaume Benjamin Amand Duchenne de Boulogne, der im 19. Jahrhundert mit elektrophysiologischen Methoden die Gesichtsmuskulatur untersuchte. Ein von der Vernunft geleitetes Lächeln beansprucht dagegen nur die Mundpartie - zumindest in unserem westlichen Kulturraum.

Models zeigen vor der Kamera meist auch ein zwar geübtes und durchaus nett anzusehendes, aber unechtes Lächeln. Weshalb wirken sie später auf den Plakaten so unwiderstehlich sympathisch? Weil das echte Lächeln künstlich redigiert wird: Die Augenpartie wird per PC verändert und die Pupillen werden vergrößert. Dadurch wirken die Models interessiert und sympathisch.

Von psychotherapeutischer Seite ist vor allem ein oft übersehener Fakt (gleichermaßen tragisch wie) interessant: Unechtes Lächeln macht auf Dauer krank!

Den Beleg dafür lieferten 2008 Psychologen der Universität Frankfurt. Sie untersuchten Stewardessen, Mitarbeiter von Call-Centern (die den ganzen Tag ins Telefon 'lächeln' müssen) und Verkäufer, die auch dann lächeln mussten und Freundlichkeit bewiesen, wenn sie von Kunden und Mitarbeitern angegangen oder beschimpft worden waren. Das Ergebnis: Beruflich verordnetes Dauerlächeln setzt uns unter chronischen Stress, der sich wiederrum mittelfristig negativ auf unser Immunsystem auswirkt. Nettsein wider Willen ist also pathogen.

Falls Sie nicht gerade in einem Kontaktberuf arbeiten, der stets beste Laune von Ihnen verlangt, sollten Sie im Sinne Ihrer Gesundheit folgendes beherzigen: Zeigen Sie ruhig öfter Ihre wahren Gefühle und machen nur in Ausnahmefällen 'gute Miene zum bösen Spiel' - es zahlt sich langfristig aus. Und: Suchen Sie sich Tätigkeiten und Menschen, bei denen Sie häufiger Ihr Duchenne-Lächeln zeigen können. Ganz einfach so und von Herzen.



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle u.a.: Lermer, Stephan. Immunkraft. ECON Verlag

Donnerstag, 30. Juli 2009

Rauchen wie im Film...

Bitte erinnern Sie sich an die letzten drei Filme zurück, die Sie gesehen haben. Haben die Schauspieler in den Filmen geraucht? - höchstwahrscheinlich! In Hollywoodfilmen, die etwa 80% der Filme ausmachen, die wir sehen, raucht jeder vierte Akteur!

Das wäre kein Thema, wenn nicht Jugendliche das Verhalten "ihrer Stars" imitieren würden. Doch genau das tun sie natürlich. Der Psychologe Todd Heatherton vom Dartmouth College in Hanover, New Hampshire und Kollegen haben in einer Studie wissenschaftlich untersucht, welche Folgen das Rauchen in Filmen auf junge Menschen hat:

Dazu analysierten sie in Langzeitstudien über 1000 Filme und befragten Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren. Das Ergebnis ist alarmierend: Kinder, die häufig "Rauchszenen" ausgesetzt waren, hatten ein dreimal so hohes Risiko eine Zigarette zu probieren oder selbst Raucher zu werden als Kinder, die selten "Rauchszenen" sahen! Zudem hatten die Kinder, die öfter Raucher in Filmen sahen, eine positivere Einstellung zum Rauchen und dachten, dass die meisten Erwachsenen auch rauchen würden.

Besonders überraschend war folgendes Ergebnis: Gerade den Jugendlichen, denen man ein niedriges Raucher-Risiko zugewiesen hätte, nämlich solchen, deren Eltern nicht rauchten und die selbst wenig sensationsgierig waren, zeigten den Effekt am stärksten!

Andererseits sind es gerade diejenigen Jugendlichen, die in ihrer normalen Umgebung häufig mit dem Rauchen konfrontiert werden, die dem Nachahmungseffekt weniger stark unterliegen.


Einer weiteren Studie der Medizinerin Susanne Tanski von der Dartmouth Medical School zufolge sei dabei sogar egal, ob in den Filmen die "Guten" oder die "Schlechten" rauchen.

Die Quintessenz aus der Studie von Heatherton ist die Einsicht, dass ein Rauchverbot für Filmcharaktere die Anzahl der Jugendlichen, die mit dem Rauchen beginnen, deutlich senken könnte.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle:
Heatherton, T. F., Sargent, J. D. (2009): Does Watching Smoking in Movies Promote Teenage Smoking? Current Directions of Psychological Science, 18/2: pp. 63-67

Tanski, S. E. et al. (2009): Movie Character Smoking and Adolescent Smoking: Who matters more: Good Guys or Bad Guys?Pediatrics, 124: pp. 135-143

Mittwoch, 29. Juli 2009

Psychologische Begriffe: 'Carpenter-Effekt' - mit Selbst-Test!

"Mensch, brems endlich!" - Kennen Sie Beifahrer, die immer mitbremsen?

Sie unterliegen einem interessanten psychologischen Effekt, den der englische Arzt und Naturwissenschaftler William B. Carpenter erstmals 1852 beschrieb: Nehmen wir eine Bewegung oder eine handlungsrelevante Situation war (Stau-Ende!, Bremslichter!), dann spüren wir bewusst oder unbewusst einen Hang dazu, die entsprechenden Bewegungen auszuführen.

Ein anderes Beispiel: Im Kino wird eine rasante Achterbahnfahrt aus der Perspektive der Fahrenden gezeigt. Beobachten Sie die Leute um Sie herum, wenn es in den Looping geht: Fast jeder macht kleine Bewegungen mit Gesicht und Körper mit - ganz so, als würde er sich selbst festhalten müssen. Manche gehen sogar richtig mit und lehnen sich etwas nach links oder rechts.

Im Beitrag vom 20.7.09 berichteten wir über Spiegelneurone - die neurophysiologischen 'Auslöser' dieser unwillkürlichen Bewegungen. Wir zeigten auch, dass man nicht jede Bewegung, die man sich vorstellt (oder wahrnimmt), automatisch ausführt (oder kopiert), weil ein bewusster Hemmmechanismus uns davon abhält, auf das virtuelle Bremspedal vor dem Beifahrersitz zu treten.

Doch dieser Hemmmechanismus ist nicht perfekt - und so wird dem Carpenter-Effekt die Tür geöffnet.

Viele esoterische Phänomene, die zunächst Staunen hervorrufen, verlieren ihre Faszination, wenn man den Carpenter-Effekt berücksichtigt.

Bei vielen Wünschelrutengängern bewirkt zum Beispiel der unbewusste Gedanke daran, dass sich die Wünschelrute an einem bestimmten Ort bewegen könnte, dass sich das Verhalten der Armmuskeln unmerklich verändert - feststellbar nur an der Position der Wünschelrutenspitze. Was dann auf die falschen Ursachen zurückgeführt wird. Auch Pendeln und Gläserrücken funktioneren erwiesener Maßen nach dem Carpenter-Prinzip. Und nicht auf Grund irgendeiner höheren Macht.

Genau genommen ist der Carpenter-Effekt nur ein Spezialfall des sogenannten "Ideomotorischen Gesetzes" (auch als ideomotorisches Prinzip bezeichnet). Es umfasst neben dem Carpenter-Effekt das 'Ideo-Real-Gesetz', das Gefühlsansteckung (zum Beispiel im Kino), Mimik, Suggestion und Hypnose mit einschließt.

Genutzt wird das ideomotorische Prinzip vor allem in der Psychotherapie - bei Entspannungsübungen und im Autogenen Traning. Unter professioneller Anleitung wird hier gelernt, sich wirksam selbst zu beeinflussen, ruhig zu werden, Stress abzubauen. Dabei steht die intensive Vorstellung im Mittelpunkt, zur Ruhe zu kommen. Was dann auch wirklich passiert.

Zum Schluss ein einfacher Test zur Überprüfung des Effekts: Nehmen Sie sich ein Pendel zur Hand. Dieses Pendel kann wahrsagen! Halten Sie es mit der linken Hand in der Luft. Ihre rechte Hand befindet sich unterhalb des Pendelgewichtes. Das Pendel wird nun ja-nein-Antworten geben, und zwar folgender Maßen: Wenn Sie ihm eine Frage stellen, wird es nach einiger Zeit anfangen, sich zu bewegen: Wenn die Antwort 'nein' lautet, wird es hin und her schwingen. Lautet die Antwort 'ja', wird es anfangen zu kreisen. Hin und her für 'nein', kreisen für 'ja'. Bewegen Sie NICHT ihre Finger! Alles klar? Viel Spaß!

Zur Überprüfung: Nehmen Sie das Pendel zur Hand und denken Sie über längere Zeit: nein nein nein nein nein.... Bewegt sich das Pendel hin und her, selbst wenn Sie Ihre Finger nicht bewegen? Was passiert, wenn Sie statt dessen 'ja ja ja ja ja...' denken? Sehen Sie...


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Dienstag, 9. Juni 2009

Das Lächeln einer Frau

...macht Männer attraktiver!

Dieses kuriose Ergebnis veröffentlichte eine schottische Forschergruppe um Prof. Ben Jones. Ihrer Studie war die evolutionsbiologische Vermutung vorausgegangen, dass viele Frauen sich bei der Partnerwahl von den Präferenzen anderer Frauen leiten lassen: Wen viele Frauen toll finden, der ist ein toller Typ!

Dieses sogenannte 'mate choice copying' findet man bei vielen Tierarten, inklusive Primaten. Nebenbei ist das Verhalten natürlich ein Hauptgrund für Eifersucht.


Zur Überprüfung ihrer Annahmen zeigten Jones und seine Kollegen ihren Probanden Bilder von Männern, deren Attraktivität zuvor als gleichwertig eingeschätzt worden war. Das Interessante dabei war die Anordnung: Zwischen zwei Männergesichtern war eine Frau abgebildet, die einen der beiden Männer anlächelte und dem anderen sozusagen die kalte Schulter zeigte.


Das Ergebnis: Die weiblichen Versuchsteilnehmer schätzten die angelächelten Männer als weitaus attraktiver ein! Männer dagegen fanden die angelächelten Gesichter weniger attraktiv. Den erstaunlichen Geschlechterunterschied erklärt Jones so: "Bei Männern bewirkt der Kampf um das andere Geschlecht die Aktivierung von negativen Vorurteilen gegenüber Konkurrenten, die das Ziel positiven sozialen Interesses von Frauen sind." Kurz: Angelächelte Männer werden als Konkurrenz erkannt und sofort abgewertet.


Frauen dagegen verfallen dem Phänomen 'Soziale Attraktivität' - nach dem Motto: "Wer in anderen Frauen Sympathien erweckt, tut das auch bei mir."


Professionelle Partnervermittlungen nutzen das Prinzip bereits, indem sie Männern bei der Partnersuche attraktive Frauen (sogenannte 'Wingwomen') zur Seite stellen, die sich einfach mit ihnen unterhalten und sie anlächeln - Eindruck bei anderen Frauen garantiert!



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Proceedings of the Royal Society B (DOI: 10.1098/rspb.2006.0205)

Montag, 8. Juni 2009

Wenn Verbote und Richtlinien nach hinten losgehen - Die Macht negativen sozialen Einflusses

Eine alarmierende Nachricht auf Ihrem Schreibtisch: Die Präsenz der Mitarbeiter bei Meetings ist in den letzten Wochen zurückgegangen. Im Schnitt fehlten 7% der Mitarbeiter bei wichtigen Meetings - aus nichtigen Gründen! Innerlich kochen Sie.

Sie beschließen, den Mitarbeitern sachlich anzukündigen, dass viele Kollegen in der letzten Zeit ihre Teilnahme an Meetings absagten und dass der Zustand so nicht tragbar sei.
Was passiert nun in der Folge?

Mehr Mitarbeiter werden fernbleiben!


Das Phänomen heißt 'Negative Soziale Bewährtheit' und beschreibt das Verhalten von Menschen, sich in Entscheidungssituationen (zum Meeting gehen oder nicht) an den Ansichten und dem Verhalten anderer Menschen zu orientieren. Würden Sie also publik machen, dass viele Kollegen den Meetings fernbleiben, werden mehr folgen, weil sie sich unbewusst an Ihrer Aussage orientieren: 'Na, wenn so viele wegbleiben, kann ich mir das auch einmal leisten - nur einmal.'


So kontraintuitiv das Phänomen scheint - es ist universell und gut belegt. Beispielsweise entstehen wie von selbst Müllberge in Parks, wenn zufällig jemand Müll an einer Stelle zurück gelassen hat. Schema: 'Aha, da liegt schon etwas - da kann ich meins dazuwerfen.' Und schon türmen sich die Bananenschalen.


In der 'Petrified Forest Studie' zeigte Prof. Robert Cialdini, wie man es richtig machen kann - und wie man es falsch macht: Er brachte an den drei Eingängen des Nationalparks verschiedene Schilder an, die zum Ziel haben sollten, die durch die Touristen verursachte 'Abwanderung' von Hölzern zu verringern.
Auf Schild 1 stand: "Many past visitors have removed the petrified wood from the park, changing the natural state of the forest!" - das Negative-Soziale-Bewährtheit-Schild. Schild 2 zeigte eine Person, die Holz stiehlt mit einem roten Kreis um das Bild und der Aufschrift "Please don´t remove the petrified wood from the park, in order to preserve the natural state of the forest!" - eine ganz einfache Bitte. Am dritten Eingang wurde kein Schild aufgestellt. Um den Holzdiebstahl zu überprüfen, brachten die Untersucher markierte Hölzer an verschiedenen Stücken des Wegs an.

Das Ergebnis: Ohne Hinweisschild wurden 2,92% der Hölzer gestohlen. Mit der Bitte, dies zu unterlassen, sank die Quote immerhin auf 1,67%. Und beim Hinweis darauf, dass die Vielzahl von Holzdieben den natürlichen Zustand des Parks verunstalte? - Satte 7,92% der ausgelegten Hölzer wurden entwendet - die Quote stieg also beinahe um das 3fache an!

Was sollte man also tun? Formulieren Sie Bitten und Verbote klar und positiv. Und weisen Sie auf keinen Fall auf all diejenigen hin, die das unerwünschte Verhalten vorleben - sie werden Nachahmer finden. Und leere Räume.




gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer


Quelle: Cialdini, R. et al. (2006). Managing social norms for persuasive impact. Social Influence, 2006, 1 (1), 3-15

Mittwoch, 3. Juni 2009

Psychologische Begriffe: Fundamentaler Attributionsfehler

Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich das abendliche Fernsehquiz an. Wen halten Sie gewöhnlich für schlauer? Den Quizmaster oder die Kandidaten? Und wie steht es mit Ihnen selbst? Sind Sie schlauer als der Quizmaster oder die Kandidaten oder liegt Ihre Intelligenz irgendwo dazwischen?

Nicht sicher?
Stimmt. Wir wissen es eigentlich nicht. Vor allem nicht in Einzelfällen. Trotzdem scheint der Quizmaster immer alle Antworten zu kennen und kann sich darüber auch eloquent äußern. Sicher ein intelligenter Mann. Und die Kandidatin: bei 500€ versagt. Nicht die Hellste.

Die oben beschriebene Einschätzung ist ein gutes Bespiel für einen oft begangenen Wahrnehmungsfehler, der im Englischen als 'Actor-Observer-Effect' bezeichnet wird. Er beschreibt die Tatsache, dass wir Verhalten anderer Menschen oft auf deren Persönlichkeit zurückführen, während wir unsere eigenen Verhaltensweisen gewöhnlich differenzierter betrachten und auf die Umstände schieben.


Ein weiteres typisches Beispiel für den im deutschen als 'Fundamentaler Attributionsfehler' bekannten Effekt ist Streit in der Partnerschaft: "Immer wirfst du mir Dinge vor, die unter die Gürtellinie gehen! So bist du eben: Kein Niveau!" Man selbst ist natürlich "jedesmal anders" und kann sich gut auf verschiedene Themen und Situationen einstellen. Der andere "ist halt so", demnach persönlich verkorkst und eigentlich nicht mehr zu retten. Der Streit eskaliert.


Für den Fundamentalen Attributionsfehler gibt es vier wesentliche Erklärungen:
  1. Unterschiedliche Informationsgrundlage: Offensichtlich wissen wir mehr über uns selbst als über die anderen Menschen. Wir erleben uns in vielfältigen, unterschiedlichen Situationen und begreifen, dass wir uns je nach Situation auch unterschiedlich verhalten. Unsere Interaktionspartner dagegen lernen wir in immer gleichen oder sehr ähnlichen Situationen kennen - die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie sich auch immer gleich verhalten. Zudem versuchen unsere Interaktionspartner oft auch aktiv, uns ein gewisses (meist positives) stimmiges Bild zu liefern, indem sie sich möglichst gleich verhalten. Sie liefern uns damit selbst einseitige Informationen.
  2. Unterschiede in der Wahrnehmungsperspektive: Insbesondere in Kommunikationssituationen ist die eben Situation für uns sehr wichtig und wird deshalb verstärkt wahrgenommen. Wir selbst treten wahrnehmungsmäßig in den Hintergrund. Beobachten wir dagegen eine Kommunikationssituation von außen, achten wir verstärkt auf das Verhalten der Akteure, die ja zur Situation gehören und die Hauptrolle darin spielen.
  3. Selbstwertdienlichkeit: 'Wenn es andere tun, ist es deren Fehler. Wenn ich es selbst tue, ist die Situation schuld.' Beobachten Sie sich einmal selbst, wenn Sie über negative Dinge berichten: Sie werden versuchen, sich vor sich und anderen selbst zu entschuldigen, indem Sie die Umstände verantwortlich machen. Zurecht. Denn Ihr Selbstwertgefühl würde erheblich leiden, wenn Sie sich für alles Negative allein verantwortlich machen. Wollen wir auf Dauer glücklich und nicht depressiv sein, brauchen wir diese 'selbstwertdienliche Attribution' sogar. Andere für Missgeschicke verantwortlich zu machen ist dagegen in der Regel einfach und berührt meist nicht unser persönliches Selbstwertgefühl.
  4. Kontrollbedürfnis: Menschen haben das Bedürfnis, das Verhalten anderer in unsicheren Situationen voraussagen und kontrollieren zu können. Deshalb ist es von Vorteil, den anderen 'zu kennen'. Man erwartet (oder hofft) also, dass sich Menschen in allen zukünftigen Situationen gleich verhalten. Nämlich so, wie sie sich bisher auch verhalten haben. Wir sagen dann letztendlich: Aha, so sind sie eben. Wenn ich also A sage, sagen sie mit großer Wahrscheinlichkeit B.
Der Fundamentale Attributionsfehler hat also einen großen Vorteil und zwei kleinere Nachteile: Auf der einen Seite lässt er uns das Verhalten anderer Menschen mit ziemlicher Sicherheit und wenig geistigem Aufwand voraussagen.

Auf der anderen Seite kann durch ihn unsere Einschätzung anderer leicht manipuliert werden (vor allem zum Positiven in Kombination mit dem Halo-Effekt, siehe Beitrag vom 27.5.09). Und er stellt uns oft ein Bein bei Menschen, die wir eigentlich gut kennen sollten.


Gerade zur Lösung von Konfliktsituationen mit Freunden, langjährigen Kollegen und Partnern ist es deshalb von Vorteil, sich in sie hineinzuversetzen und zu versuchen, ihre Perspektive wahrzunehmen. Als Mensch, der sich in verschiedenen Situationen eben auch verschieden verhält. Und nicht 'so ist, wie er eben ist.'



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Donnerstag, 28. Mai 2009

"Der Mensch trägt eine Sehnsucht in sich, das Leben beeinflussen zu können" - Die Papierkugel Gottes

Interview mit Dr. Stephan Lermer, Financial Times Deutschland




Es ist nur eine simple Papierkugel, wie sie so oft von Fußball-Fans in Richtung Rasen fliegt. Normalerweise sind die zusammengeknüllten Fetzen keine Erwähnung wert. Doch diese Papierkugel spielte ein bisschen Schicksal.

Die Kugel aus Papier löste besonders im Internet ein wahres Feuerwerk an Reaktionen und lustigen Angeboten auf Ebay aus - und Anhänger von Werder Bremen und dem Hamburger SV werden vielleicht noch in Jahren über sie sprechen.

Im UEFA-Cup-Halbfinale zwischen den beiden Nordrivalen HSV und Werder ließ die etwa faustgroße Kugel den Ball holpern, führte zur Ecke und leitete so das entscheidende Tor für Werder ein. Das Original wird bis 23.00 Uhr am 20. Mai, dem Abend des Endspiels zwischen Werder Bremen und Schachtjor Donezk, für einen guten Zweck versteigert.


Doch wieso provoziert ein einfaches Stück Papier, im Netz inzwischen auch als die «Papierkugel Gottes» bekannt, so viele Trittbrettfahrer? Wieso sorgt sie für so viel Gesprächsstoff?

Der Münchner Diplom-Psychologe Stephan Lermer sagt der Deutschen Presse-Agentur dpa, der Wirbel um die Kugel zeige, dass in den Menschen etwas lodere und sie unerfüllte Wünsche haben. «Der Mensch trägt eine Sehnsucht in sich, das Leben beeinflussen zu können.» Normalerweise könne er aber weder auf sein Leben noch auf ein Fußballspiel Einfluss nehmen. «Wenn jetzt Zufälle ein Schicksal auslösen, klinken sich die Menschen ein. Wenn plötzlich ein Zuschauer aus der Masse ein Tor mit auslösen kann, ist eine Sehnsucht erfüllt - wir können etwas bewegen.»

Zudem seien viele Geschehnisse in der Regel nicht zu erklären, die Papierkugel biete dagegen eine Erklärung, sagt Lermer. Von manchen HSV-Fans erhielt sie so die Rolle des Sündenbocks, einige Werder- Anhänger verehren sie dagegen als Kultobjekt. So stellen die Grün- Weißen auf der Internetseite WikiWorum - in Anlehnung an das Online- Lexikon Wikipedia - die Papierkugel als einen deutschen Fußballspieler vor, der zum Europapokal-Helden aufstieg. Beim Internet-Kurznachrichtendient Twitter hat die «Papierkugel» mehr als 370 Anhänger, beim Netzwerk Facebook gründete sich eine Fan-Gruppe.

Mit witzigen Sprüchen kommentieren Internetnutzer Videos der irren Szene auf der Plattform YouTube: «Das Papier stand doch im Abseits», schreibt ein Fußball-Fan. Und ein anderer scherzt: «Warum hat die Papierkugel eigentlich keine Gelbe Karte bekommen? Ach ne, sie hat ja nur den Ball gespielt.»

Zwölf Tage nach dem Halbfinale laufen beim Internet-Auktionshaus Ebay mehr als 30 Versteigerungen rund um das Corpus Delicti. Darunter sind Nachbildungen, die in den Vereinsfarben grün-weiß oder blau-weiß umhäkelt sind, grüne T-Shirts mit der Aufschrift «Mein Freund ist eine Papierkugel» oder Buttons mit «I love Papierkugeln» sowie «Die Papierkugel war schuld».

«Das ist eine kreative Leistung», erklärt Lermer, der das Münchner Institut für Persönlichkeit und Kommunikation leitet. Wenn einer eine freche Geste wage, gebe es immer Trittbrettfahrer. «Wenn man mit nichts Geld machen kann, macht es immer Spaß. Das ist aber mehr ein Gag, den man abends erzählen kann», sagt der Psychologe.

Die Trittbrettfahrer-Auktionen laufen ohne Erfolg. Mehr als 2400 Euro betrug Höchstgebot für das Original hingegen bereits am 19. Mai, das bei Ebay vom Fernsehsender Sat.1, der Zeitschrift «Sport-Bild» und dem Bundesligisten Werder Bremen zugunsten des Kinderhospizes Löwenherz in Syke bei Bremen versteigert wird. Bei Sat.1 heißt es, für eine simple Papierkugel sei die Summe «Wahnsinn».


Quelle: dpa, 19.05.2009 / © 2009 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa


Mittwoch, 27. Mai 2009

Psychologische Begriffe: Reaktanz

Lesen Sie jetzt bitte nicht weiter. Sie werden manipuliert.

Schon geschehen.


Wir haben es Ihnen ja gesagt... Falls Sie sich jetzt auch nur leicht verärgert fühlen, bitten wir Sie um Entschuldigung. Selbstverständlich haben Sie - nur Sie allein! - die Freiheit, diesen Beitrag zu lesen oder es zu unterlassen.


Mit dem ersten Satz sollten wir in Ihnen 'Reaktanz' ausgelöst haben, wenn auch nur zu einem geringen Grad. Sie hatten sich soeben die Freiheit genommen, den Beitrag zu lesen und nun schränkt Sie jemand von vorneherein in dieser Freiheit ein, indem er Sie darauf hinweist, das doch bitte bleiben zu lassen. Die logische Folge: Sie werden noch motivierter sein, den Beitrag zu lesen, weil ES DOCH IHRE ENTSCHEIDUNG IST, UND SIE JETZT MACHEN, WAS SIE WOLLEN!!!

Nun ja.... Bereits 1966 formulierte Jack W. Brehm seine 'Reaktanztheorie', die eine der einflussreichsten Theorien der Sozialpsychologie werden sollte und bis heute Ihren Geltungsbereich, zum Beispiel in der Markt- und Werbepsychologie oder der Verkaufspsychologie hat.

Die Grundaussage der Theorie ist ganz einfach:
'Der Mensch ist motiviert, seine Freiheit zu erhalten.'

Wird diese Freiheit bedroht oder genommen entsteht Reaktanzmotivation - eben der Drang zur Freiheitswiederherstellung. Die Reaktanzfolgen können vielfältig sein:


In beinahe allen Fällen wird zum Beispiel die verbotene Tätigkeit oder Alternative attraktiver. Ein schönes Beispiel ist der sogenannte "Romeo-und-Julia-Effekt": Die Intervention der Eltern ('Was willst du denn mit DEM?') macht den Geliebten nur noch attraktiver (Der Reiz des Verbotenen).


Eine weitere Reaktanzfolge ist unmittelbare direkte oder indirekte Freiheitswiederherstellung. Direkte Freiheitswiederherstellung haben Sie gerade betrieben, indem Sie den Artikel trotz oder gerade wegen unserer Bitte weiter gelesen haben. Bereits im Kindergartenalter kann man direkte Freiheitswiederherstellung beobachten, wenn plötzlich aus einem Set von verschiedenfarbigen Autos das gelbe Fahrzeug an Attraktivität gewinnt, bloß weil Michi es sich zuerst geschnappt hat. Die Folge: Tommy fühlt sich in seiner Freiheit eingeschränkt, lässt alle anderen gleichwertigen Autos links liegen und überfällt Michi, um ihm das Auto zu entwenden. Das gelingt und nun ist natürlich Michis Freiheit eingeschränkt. Der Konflikt eskaliert.


Womit wir bei der letzten Reaktanzfolge sind: Der Aggression. Vielleicht haben Sie sich ein klein wenig über unseren Manipulationsversuch am Anfang des Beitrags geärgert. Selbst wenn diese geringe Reaktanzmanipulation keine Aggression hervorgerufen hat, kann man sich leicht vorstellen, dass Freiheitseinschränkungen zu Wut und Enttäuschung führen. So provoziert bei den G8-Gipfeln allein schon das 'Aussperren' der Demonstranten Aggression. Und Pannen bei der Übertragung von Fussballspielen führen mit großer Wahrscheinlichkeit zu Wutausbrüchen.


Im Alltag erliegen wir sehr oft den Reaktanzfolgen. Eine Ware zu kaufen, weil es 'nur noch wenige Exemplare' davon gibt oder unverhältnismäßige Zugeständnisse bei Vertragsverhandlungen zu machen, nur 'weil die Zeit drängt' (und nach Ablauf des Ultimatums keine Freiheit mehr bestünde) sind besonders auffällige Reaktanzsituationen. Aber schon kleine Dinge, wie die Entscheidung für den Film des Abends oder eben das Spielzeugauto können Reaktanzproblematiken auslösen.

Reaktanz ist oft nur schwer zu erkennen. Aller Anfang ist dabei eine verbesserte Selbsterkenntnis: Bewusstes Nachdenken über die Situation und die eigenen Gefühle, bevor man eine falsche oder übertriebene Entscheidung aus Reaktanz fällt.


Auch Reaktanz bei anderen nachträglich wieder zu reduzieren ist sehr schwer, wenn die Reaktanzmotivation einmal besteht: Die Freiheit muss völlig wiederhergestellt werden, und alle Alternativen müssen wie zu Beginn frei zugänglich sein! Mit dem dritten Absatz haben wir das bei Ihnen versucht. Ergründen Sie Ihre Gefühle: Fühlten Sie sich wirklich frei? Falls ja: Vielen Dank, dass Sie den Beitrag trotzdem bis zum Ende gelesen haben ;-)




gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Dienstag, 19. Mai 2009

Der Soundtrack des Gehirns

Warum Menschen eigentlich Musik mögen, ist eines der großen Rätsel der evolutionären Psychologie. Viel spannender als die Frage nach dem Warum? ist aber eigentlich die Frage: Wozu?

Beinahe jeder Mensch liebt Musik. Welche Art von Musik wir wann mögen, hängt dabei wesentlich von unserer Stimmung ab. Andererseits ist es auch erwiesen, dass Musik Stimmungen induzieren kann: Bei ruhiger Musik entspannen wir, bei einem Allegro werden wir aktiv. Mittels EEG (Elektroenzephalogramm), mit dem Gehirnströme quasi in 'Echtzeit' gemessen werden, kann man seit einigen Jahren diese stimmungsinduzierende Wirkung auch neurophysiologisch nachweisen: Die Wellenmuster des Gehirns verändern sich unter dem Einfluss von Musik!

Wissenschaftler vom Science & Technology Directorate des US-Department of Homeland Security gehen nun noch einen Schritt weiter und behaupten: 'Jedes Gehirn hat seinen eigenen Soundtrack.' Tempo und Melodie variieren dabei in Abhängigkeit der Stimmung, der Tätigkeit und dem Aufbau des Gehirns selbst.

Das Erstaunliche: Diesen Soundtrack kann man in bestimmten Stimmungen aufzeichnen, in musikalische Signale übersetzen und wieder abspielen, um damit wiederum die gleichen Stimmungen zu induzieren: Das entstandene Biofeedback könnte zum Beispiel in naher Zukunft bei der Therapie von depressiven Erkrankungen genutzt werden. Oder man könnte den optimalen 'Alarm-Soundtrack' eines Feuerwehrmannes aufnehmen und ihn in entsprechenden Krisensituationen wieder abspielen (falls er ihn dann noch braucht).

Darüber hinaus hat jedes Gehirn einen Ruhe-Track, der bei völliger Entspannung entsteht und laut den Wissenschaftlern zur Entspannungsinduktion genutzt werden kann.

Ein Beispiel für eine solche "Gehirnkomposition" finden Sie unter folgendem Link:

Hörprobe Brainmusic Active

Der große Nutzen von Musik scheint also tatsächlich darin zu bestehen, uns in Stimmungen und Zustände zu versetzen, die optimales Verhalten bewirken. Evolutionäre Psychologen vermuten, dass sich die Liebe zur Musik gleichzeitig mit der Sprache entwickelte, weil beide in etwa dieselben Hirnregionen beanspruchen.

So gesehen wäre die Evolution der Musik ein Nebenprodukt der für die menschliche Spezies so wichtigen Sprachentwicklung. Womit auch die Frage nach der schönsten Nebensache der Welt endgültig geklärt wäre.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: http://hsdailywire.com/single.php?id=7859

Donnerstag, 14. Mai 2009

Gehorsam! - eine aufrüttelnde Replikation des "Milgram-Experiments"

Eine neue Studie zeigt wieder einmal die (Ohn-)Macht blinden Gehorsams.

Würden Sie jemanden bis zum Tode quälen, nur weil es ihnen ein anderer befiehlt? NATÜRLICH NICHT! Oder?


Dass Autorität oft blinden Gehorsam auslöst, ist eine hässliche, uralte Wahrheit. Besonders schockierend wurde diese Wahrheit bereits in den 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts von dem Psychologen Stanley Milgram belegt. Er setzte sich mit der Frage auseinander, weshalb so viele Menschen im nationalsozialistischen Deutschland des zweiten Weltkriegs zu solch grausamen Taten fähig waren.


Dazu designte er ein Experiment, das er ursprünglich in Deutschland durchführen wollte, um seine Hypothese zu bestätigen, die Nazis seien im besonderen Maße zu Grausamkeiten fähig. Doch zunächst führte er eine Vorstudie in den USA durch. Die Ergebnisse dieser Vorstudie waren auch für ihn so schockierend, dass er sich die Reise nach Deutschland sparte.

Warum? In einer Ausschreibung zur Vorstudie deklarierte er das Experiment als "Lernspiel". Freiwillige Versuchspersonen mussten dabei vermeintlichen Schülern (in Wahrheit Schauspielern) Fragen stellen und sie nach jeder falschen Antwort mittels sukzessive stärker werdenden Elektroschocks bestrafen. Der anwesende Versuchsleiter beharrte auf der ordnungsgemäßen Durchführung des Lernspiels.


Und obwohl der Versuchsleiter keinerlei körperlichen Zwang anwandte und ein Abbruch des Experimentes für die Probanden keine nachteiligen Folgen gehabt hätte, gingen 65% der Versuchspersonen bis zur Verabreichung von tödlichen Stromschlägen (bis zu 450V). Fast niemand hörte bei der gesundheitsgefährdenden Grenze von 150V auf. Jedem war bewusst, dass er zu jedem Zeitpunkt die Chance hatte, das Experiment abzubrechen. Die Teilnehmer zeigten dabei Anzeichen extremer innerer Anspannung.


Obwohl Milgram - vermutlich wegen der offensichtlichen Eindeutigkeit und der generellen Gültigkeit der Ergebnisse - selbst keine Studie in Deutschland durchgeführt hat, wurde das Experiment später am Max-Planck-Institut in München repliziert. Über die deutsche Studie existiert ein Dokumentarfilm: "Abraham - ein Versuch" (Regie: Hans Lechleitner)

Ist das heute wiederholbar? NATÜRLICH NICHT! Oder?

Jerry M. Burger von der Santa Clara University hat nun das Experiment, unter Berücksichtigung einiger ethischer Gesichtspunkte, wiederholt. Seine Versuchspersonen befanden sich während der Studie unter psychologischer Betreuung und die Höchstgrenze der (gespielten) Schockintensität wurde von 450V auf 150V herabgesetzt.
Das Ergebnis ist genauso erschreckend wie vor 40 Jahren: Burgers Studie zeigt, dass auch heute die Menschen blinden Gehorsam im Beisein von Autoritäten leisten: 70% der Versuchspersonen überschritten die 150V-Grenze. Auch in seinem Experiment gaben die Teilnehmer an, dass sie die Situation schrecklich und extrem belastend empfanden. Aber sie teilten aus.

Nützt es also nichts, den Menschen durch Bildung, Erziehung und Aufklärung zu vermitteln, ihren eigenen Verstand zu benutzen und die Menschenrechte zu wahren? Sind grausame Taten und blinder Gehorsam letztlich sogar ein Erbe unserer Evolution und damit genetisch in uns verankert?
Ja, sagt die ernüchterte Forschungsgemeinde.

Und betont aber auch: In allen Zeiten und allen derartigen Experimenten gab es Menschen, die es geschafft haben. Die ihren gesunden Menschenverstand benutzt haben und die Studie aus freiem Willen und trotz der anwesenden Autoritäten abbrachen.


Offensichtlich ist die Neigung, Autoritäten Gehorsam zu leisten, individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. Und offensichtlich sind wir nicht nur unseren Genen ausgeliefert und zum Gehorsam verdammt. Sondern zu eigenen Entscheidungen fähig, die auf moralisch-ethischen Überlegungen beruhen.
Bewusst eigene Entscheidungen zu treffen, die das Wohl anderer genauso wie das eigene Wohl berücksichtigen, fordert allerdings einen lebenslangen Lernprozess.




gepostet i.A. von Dr.Stephan Lermer

Quelle: Burger, J.M. (2009). Replicating Milgram. Would People Still Obey Today? www.apa.org/journals/releases/amp641-1.pdf

Dienstag, 5. Mai 2009

Die Macht von Stereotypen

...und wie wir sie überwinden können:

Stereotype werden allgemein als Vorurteile (oder: Einordnung in Kategorien) gegenüber bestimmten Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten (gesellschaftlichen) Gruppen definiert. Die Macht von Stereotypen ist so groß, dass sie sich nicht nur auf die Personen auswirkt, die sie anwenden. Auch diejenigen, die stereotypisiert worden sind, lassen sich unbewusst in Richtung des Stereotyps beeinflussen, wenn sie die Einordnung mitbekommen.

Recht anschaulich wird das in Experimenten verdeutlicht, bei denen Frauen Mathematikaufgaben unter 2 Bedingungen lösen sollen. In der ersten Bedingung sollen sie ihren Wohnort angeben, in der zweiten Bedingung ihr Geschlecht. Das Stereotyp dahinter lautet, dass 'Frauen schlechter in Mathe' sind. In der Tat zeigen Frauen, die ihr Geschlecht im Antwortbogen vermerken, eine schlechtere Leistung als diejenigen, die nur ein paar demographische Angaben machen!

Im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung wird also (meist unbewusst) zunächst das Stereotyp aktiviert und anschließend sinkt die Leistung.

Dieses und ähnliche Ergebnisse haben zur berechtigten Diskussion geführt, ob beispielsweise Geschlechterunterschiede bei der Performance verschiedener Aufgaben zum Teil auf Stereotypisierung zurückzuführen sind.

Wir sind alle täglich vielen Stereotypen ausgesetzt. Steigen wir morgens aus dem Bett, sind wir Mann oder Frau, sind wir in Deutschland, der Türkei, Russland oder den USA geboren, wohnen wir in einer Wohnung oder unserem Haus, arbeiten wir als Banker, Buchhalter oder Bäcker, sind wir klein oder groß usw.

Und bei allem, was wir täglich tun ist anzunehmen, dass wir möglicher Weise nicht nur einem Stereotyp unterliegen. Frauen können schlechter rechnen? Aha, was ist mit weiblichen Finanzbuchhalterinnen? Sind diese gut in Mathe aber konservativ und stur in ihren Einstellungen? Was, unsere mathematisch begabte Buchhalterin ist Mitglied bei 3 Wohltätigkeitsorganisationen? Naja, typisch, Helfersyndrom...!

Was kann man also tun, um - zumindest zum Wohl seiner eigenen Performance - diese Stereotype zu ignorieren, beziehungsweise zu nutzen? Robert Rydell und seine Kollegen vom Department of Psychological and Brain Sciences der Indiana University geben in einer Serie von Experimenten die Antwort:

Sie setzten College-Studentinnen Stereotypen aus und ließen sie dabei mathematische Tests bearbeiten. Eine Gruppe wurde informiert, dass Frauen generell schlechter bei Mathetests abschneiden. Einer weiteren Gruppe wurde vorab mitgeteil, dass College-Studenten generell besser seien als Leute, die nicht das College besuchten. Zwei weitere Gruppen erhielten entweder gar keine Informationen über Stereotype oder beide relevanten Informationen.

Das Ergebnis: Die Studentinnen zeigten nur dann eine schlechtere Leistung, wenn sie ausschließlich mit der Information konfrontiert worden waren, dass Frauen schlechter bei Mathetests abschneiden. Offensichtlich schützte die Aktivierung eines positiven Stereotyps die Frauen vor der Aktivierung des negativen Stereotyps.

Um diese Annahme zu testen, prüften Rydell und seine Kollegen mit welchem Stereotyp sich die Studentinnen in den jeweiligen Bedingungen identifiziert hatten. In der Tat identifizierten sie sich nur in Abwesenheit positiver Stereotype mit dem negativen Vorurteil gegenüber Frauen und Mathe.

Offensichtlich können wir zwischen verschiedenen Stereotypen wählen. Dabei sollten wir darauf achten, dass wir das für unsere Performance beste Stereotyp herausgreifen. Eine Bedingung ist allerdings, dass uns die richtigen Stereotype bewusst sind.

"Die Aktivierung von Stereotypen erfolgt relativ automatisch und ist schwer zu kontrollieren" sagt Rydell. "Ob man jedoch an das Stereotyp glaubt oder nicht, das ist unter willentlicher Kontrolle. Eine Option ist demnach, in einer Lesitungssituation an all die positiven Gruppen zu denken, denen man angehört und die mit der Aufgabe etwas zu tun haben."





gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer


Quelle: http://www.eurekalert.org/bysubject/social.php

Dienstag, 24. März 2009

Obama jetzt sogar mit Heiligenschein - Zur Macht unbewusst aufgenommener Information

Erinnern wir uns an den beeindruckenden Inhalt des Blog-Eintrags vom 19.03.09. Dort ging es darum, wie sehr darum, wie sehr Geschwindigkeit und Informationsfülle unsere bewusste und unbewusste Verarbeitung von Information bestimmen. Von den 11 Millionen bits unbewusst aufgenommener Information pro Sekunde verarbeiten wir lediglich 40 bits pro Sekunde bewusst. Der Rest wird sofort ausgesteuert oder unbewusst verarbeitet und gespeichert.

Vieles, was um uns herum passiert, fällt demnach zunächst unserer selektiven Aufmerksamkeit zum Opfer. Wir richten unseren Fokus auf bestimmte Dinge und blenden dafür andere Dinge aus. Trotzdem werden einige der ausgeblendeten Informationen unbewusst weiter verarbeitet und beeinflussen letztlich unsere Einstellungen, (Vor-)urteile, Entscheidungen und Handlungen.

Ein gutes Beispiel für unbewusste Beeinflussung bietet ein Bild der AP vom U.S. Präsidenten Obama, das im Moment so oder so ähnlich in einigen aktuellen Presseartikeln erscheint:




Manche Leser sehen den "zufälligen" Heiligenschein bewusst, aber auf alle Leser wirkt er unbewusst. Mit dieser unbewussten Wahrnehmung ergeben sich auch unbewusste Informationsverarbeitungsschritte, die mächtig genug sind, Einstellungen und Handlungen zu beeinflussen. Vielleicht wirkt Präsident Obama nach der Lektüre dieses Artikels auf manche Leser - unabhängig vom Inhalt (!) des Artikels - ein Stückchen größer, erhabener, charismatischer oder heilsbringender.