Freitag, 25. Juni 2010

Wenn sie einander endlich gefunden haben...

...machen 84% erst einmal einen Dauertest.

Die Humanwissenschaften gewinnen ihre Forschungsergebnisse meist aus den Erfahrungen, die die Menschen ihnen vorleben. Mann und Frau entwickeln zum Beispiel je nach Zeitgeist-Generation evolutionär die Lebensmuster, die ihrer Erfahrung nach die besten Resultate erzielen.

Diese pragmatische Orientierung, jenseits von Ideologie oder Reglement von oben, können wir heute beim Heiratsverhalten beobachten: 84 % der Paare haben vor der Hochzeit bereits zusammengewohnt - vergleichbar mit den Schnupper-Tagen am neuen Arbeitsplatz.

Beziehungsforscher der Universität Mainz haben in einer demografischen Studie zum Paarungsverhalten geschlechtsreifer Großstädter einige spannende Daten ermittelt: Von den 377 Paaren, die in den Jahren 1999 bis 2005 heirateten, waren 86 % zum ersten Mal verheiratet. Das Erstheirats-Durchschnittsalter beträgt für Frauen derzeit 27,3 Jahre. Männer gehen den Bund fürs Leben durchschnittlich mit 29,7 Jahren ein. Jede(r) Dritte hatte zuvor noch keine feste Partnerschaft. Und nur jede(r) Dritte hatte zuvor eine Beziehung, die länger als ein Jahr dauerte.

Was als Folge dieser beeindruckenden Verteilungen wiederum logisch erscheint (obwohl es scheinbar nicht in unsere immer als so kalt und flüchtig beschriebene Zeit passt): Mehr als die Hälfte der heiratenden Paare zelebrierte zuvor das Ritual der Verlobung. Psychologisch gesehen vollkommen plausibel. Will man doch den Partner - hat man ihn nun endlich gefunden - zum einen binden, zum anderen dennoch durchs Zusammenleben erstmal im Dauertest prüfen.

Erstaunlich, welche Muster der evolutionäre Lebenslaufgestaltungsprozess schafft, damit trotz widriger Außenumstände optimal chancenreiche Familiengrundlagen entstehen (Von den getrennten Verlobungen liegen allerdings leider keine Zahlen vor :-).


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer
Quelle: Schneider,N.F., Rüger, H. (2008) Beziehungserfahrungen und Partnerschaftsverläufe vor der Heirat. Ztschft.f.Fam.Forschg., 20/2, 131-156